(Trade mark without text) | Decision 578/2016-4

ENTSCHEIDUNG

der Vierten Beschwerdekammer

vom 18. Januar 2017

In dem Beschwerdeverfahren R 1578/2016-4

Divapharma Chur AG

Wiesentalstr. 126

CH-7006 Chur

Schweiz

Anmelderin / Beschwerdeführerin

vertreten durch LOSCHELDER, Konrad-Adenauer-Ufer 11, D-50668 Köln, Deutschland

BESCHWERDE betreffend die Unionsmarkenanmeldung Nr. 15 099 138

erlässt

DIE VIERTE BESCHWERDEKAMMER

unter Mitwirkung von D. Schennen (Vorsitzender und Berichterstatter), C. Bartos (Mitglied) und E. Fink (Mitglied)

Geschäftsstellenbeamter: H. Dijkema

die folgende


Entscheidung

Sachverhalt

  1. Am 11.2.2016 meldete die Beschwerdeführerin die Bildmarke in den Farben rot und weiß

als Unionsmarke für folgende Waren und Dienstleistungen an:

Klasse 3 – Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel.

Klasse 5 – Pharmazeutische Erzeugnisse, medizinische und veterinärmedizinische Präparate; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; diätetische Lebensmittel und Erzeugnisse für medizinische oder veterinärmedizinische Zwecke, Babykost; Nahrungsergänzungsmittel für Menschen und Tiere; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide.

Klasse 29 – Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette.

  1. Nach Beanstandung der Anmeldung wies die Prüferin mit Entscheidung vom 8.7.2016 die Anmeldung gemäß Artikel 7 (1) (b) UMV wegen fehlender Unterscheidungskraft vollständig zurück.

  1. Zur Begründung führte die Prüferin aus, das angemeldete Zeichen bestehe lediglich aus zwei einfachen roten Kreisflächen, die in der oberen linken Seite einen elliptischen weißen Fleck zeigen. Es bestehe insgesamt aus einer gewöhnlichen Darstellung von zwei Kugeln oder Kreisen. Die Kreise seien gewöhnliche Standardformen, auch die weiße Ellipse sei nicht phantasievoll. Es sei keine willkürliche oder auffällige Formgebung erkennbar, die sich von herkömmlichen Kreisen unterscheiden würde. Der angesprochene Verkehr, nämlich Durchschnittsverbraucher wie auch das Fachpublikum, werde in einer solchen einfachen Darstellung lediglich ein Muster oder eine Dekoration erkennen, nicht jedoch eine betriebliche Kennzeichnungsfunktion; und zwar werde er darin eine einfache geometrische Form oder die schlichte Zusammensetzung zweier einfacher geometrischer Figuren erkennen. Die Tatsache, dass der Kreis in Rot gehalten ist, ändere am Gesamteindruck nichts.

  1. Mit am 31.8.2016 eingelegter und am 4.11.2016 begründeter Beschwerde rügt die Anmelderin:

  • Die Entscheidung der Prüferin leide an gewissen Begründungsmängeln. Sie wechsele in der Argumentation von einer Kreisfläche zu derer zwei. Sie unterlasse die Feststellung, dass die Kreisflächen farbig ausgefüllt sind.
  • Die Prüferin differenziere auch nicht nach den beanspruchten Waren.
  • Diese formalen Gesichtspunkte schlügen auf das Ergebnis der Prüfung durch. Das Anmeldezeichen sei unterscheidungskräftig. Zuzugeben sei, dass das Zeichen nicht aus vielen Elementen bestehe. Es sei aber von drastischer Einprägsamkeit.
  • Es seien sogar viele Verwendungsformen vorstellbar, in denen es krass auffällig sei und vom Verkehr als Herkunftshinweis empfunden werde. Auf einer Produktverpackung erwecke es den Eindruck, dass der „Absender“ der Verpackung ein bestimmtes Unternehmen sein müsse, die „Fabrik mit den zwei roten Kreisen“.
  • Das wäre auch der Fall, wenn auf der Produktverpackung außer dem Anmeldezeichen auch noch die Angabe der Warenart oder des Herstellernamens aufscheinen würde.
  • Anders als in dem von der Prüferin zitierten EuGH-Urteil zu Waschtabletten zeige das Anmeldezeichen keinen konkreten Gegenstand; es zeige vielmehr zwei abstrakte geometrische Figuren.
  • Das Anmeldezeichen zeichne sich aus durch grelle Farbigkeit und strikt gleichgeordnete Dualität und den Gegensatz zwischen Buntheit und System.

  1. Sie beantragt,
  • unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung das Amt anzuweisen, das Eintragungsverfahren insgesamt, hilfsweise für die Waren, für die die Kammer die Entscheidung aufheben will, fortzusetzen.

Entscheidungsgründe

Zulässigkeit

  1. Die Anmeldung wurde vollständig zurückgewiesen. Mit der Beschwerde kann zulässigerweise begehrt werden, diese Entscheidung aufzuheben, so dass die Anmeldung zur Veröffentlichung fortfahren kann. In ein Hilfsverhältnis kann dieses Begehren nicht gestellt werden. Ein zulässiger Hilfsantrag liegt auch deshalb nicht vor, weil die Anmelderin nicht spezifiziert, für welche Waren sie „hilfsweise“ die Anmeldung zugelassen haben möchte. Ihre Beschwerdebegründung enthält überhaupt keine Ausführungen zu den einzelnen betroffenen Waren, etwa ob diese unterschiedlich zu behandeln seien. Selbstverständlich kann die Kammer der Beschwerde auch nur teilweise stattgeben. Dazu bedarf es aber keiner ausdrücklichen Antragstellung.

Artikel 7 (1) (b) UMV

  1. Die Beschwerde ist nicht begründet. Der Unionsmarkenanmeldung steht das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft (Artikel 7 (1) (b) UMV) entgegen.

  1. Das Anmeldezeichen enthält keine Wortbestandteile. Das relevante Publikum besteht aus den Verkehrskreisen in allen Mitgliedstaaten der EU, und zwar aus allgemeinen Endverbrauchern und lediglich in zweiter Linie und nur im Bereich der Klasse 5 auch aus Fachverkehrskreisen. In keinem Fall wirkt sich im Ergebnis die Definition des relevanten Publikums darauf aus, wie das Anmeldezeichen wahrgenommen wird. Der Verbraucher, einschließlich der Fachkreise, ist als normal informiert und angemessen aufmerksam und verständig anzusehen (26.3.2015, T72/14, „BATEAUX MOUCHES“, EU:C:2015:194, § 34; 10.10.2008, T387/06, „Pallet“, EU:T:2008:427, § 28, 31).

  1. Unterscheidungskraft bedeutet, dass die angemeldete Marke aus Sicht dieses Publikums geeignet sein muss, die Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (29.4.2004, C-456/01 P & C-457/01 P, „Henkel/Waschtabletten“, EU:C:2004:258, § 34; 8.4.2003, C-53-55/01, „Linde“, EU:C:2003:206, § 40, 61). Es ist daher sowohl eine Kennzeichnungskraft als auch die Eignung zur Ausübung einer Herkunftsfunktion erforderlich (29.9.1998, C-39/97, „Canon“, EU:C:1998:442, § 21, 28). Die angesprochenen Verkehrskreise nehmen keine analysierende und vergleichende Betrachtungsweise der Marke vor (12.2.2004, C218/01, „Perwoll-Flasche“, EU:C:2004:88, § 53; 12.1.2006, C-173/04 P, „Standbeutel“, EU:C:2006:20, § 29).

  1. Das Anmeldezeichen ist eine farbige Bildmarke. Zu sehen sind zwei rote Kreisflächen, gleich groß und nebeneinander. Im oberen linken Bereich findet sich in beiden Kreisflächen eine unscharf abgegrenzte helle Fläche, die von der Prüferin als Ellipse bezeichnet wurde. Wir sehen darin allerdings kein selbständiges geometrisches Bildelement, sondern vielmehr eine Gestaltung in Form eines Licht-Schatten-Effekts, die auf eine dreidimensionale Struktur hindeutet. Jedenfalls ist dieser als Ellipse bezeichnete Teil nicht eine selbständige geometrische Figur, sondern lediglich ein untergeordneter Effekt im Rahmen der Darstellung der Kreisfläche.

  1. Deshalb kann es sich bei dem Anmeldezeichen auch um die Darstellung zweier Objekte handeln, die für einige der beanspruchten Waren als Darstellung der Ware selbst wahrgenommen werden können. So kann es sich für Waren der Klasse 5 um die Darstellung zweier Arzneimitteltabletten handeln.

  1. Doch auch für die Waren, für die dies nicht vernünftigerweise in Betracht kommt, wie Haarwässer und Fleisch, trifft es zu, dass das Anmeldezeichen keine Unterscheidungskraft aufweist.

  1. Die Beschwerde der Anmelderin stößt sich zunächst und in erster Linie an einigen ungenauen Formulierungen der Prüferin. Allerdings kommt es letztlich nur darauf an, ob im Rahmen einer vollständigen Prüfung die angefochtene Entscheidung im Ergebnis zu bestätigen ist. Etwaige Ungereimtheiten der Begründung kann die Kammer richtigstellen oder ergänzen. Jedenfalls ist die angefochtene Entscheidung im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen, dass das Anmeldezeichen auf Grund seiner einfachen Gestaltung, die geometrische Grundformen zeigt, nicht eintragbar ist (siehe 12.9.2007, T304/05, „Pentagon“, EU:T:2007:271, § 22; 29.9.2009, T-139/08, „Half a smiley“, EU:T:2009:364, § 26; 6.11.2014, T-53/13, „Wavy line“, § 70).

  1. Ein Kreis bzw. genauer eine Kreisfläche ist eine einfache geometrische Grundform. Diese in roter Farbe auszugestalten, entbehrt ebenso der Unterscheidungskraft wie die Farbe Rot als solche. Die Verwendung von Grundfarben ist werbeüblich, und Farben haben allgemein gerade deshalb keine Unterscheidungskraft, weil sie in der Werbung und bei der Vermarktung von Waren und Dienstleistungen wegen ihrer Anziehungskraft gewöhnlich in großem Umfang ohne eindeutigen Inhalt verwendet werden (24.6.2004, C-49/02, „Heidelberger Bauchemie“, EU:C:2004:384, § 38).

  1. Es stellt auch keine relevante Besonderheit dar, zwei solche Kreisflächen nebeneinander abzubilden. Diese ergeben kein neues Bildmotiv. Es wird lediglich die Abbildung einer Kreisfläche wiederholt. Die Kammer vermag nicht zu erkennen, warum die Tatsache, dass hier zwei rote Kreisflächen nebeneinander abgebildet sind, zu einer günstigeren Beurteilung führen sollte. Das angesprochene Publikum wird das Anmeldezeichen lediglich als Darstellung roter Kreisflächen auffassen. Die Kammer vermag nicht zu erkennen, was in dieser nach wie vor sehr einfachen Gestaltung „krass“ oder aufmerksamkeitserheischend sein könnte.

  1. Soweit die Anmelderin noch von „strikt gleichgeordneter Dualität“ und dem „Gegensatz zwischen Buntheit und System“ spricht, unterstellt sie dem doch sehr schlicht gehaltenen Anmeldezeichen eine komplexe Botschaft, die zwar der subjektiven Intention der Anmelderin bei dem Prozess der Schaffung des Zeichens entsprechen mag, aber nicht als normale, unbefangene Wahrnehmung des Verbrauchers unterstellt werden kann. Der Verbraucher nimmt Angaben und Zeichen so wahr, wie sie ihm begegnen, und neigt nicht zu analysierender oder gar philosophierender Betrachtungsweise.

  1. Die weiteren Ausführungen der Beschwerde weisen zwar korrekt auf Aspekte des Prüfungsumfangs hin, doch führen sie im Ergebnis zu keiner günstigeren Beurteilung der Schutzfähigkeit der Anmeldung.

  1. Zwar enthält die angefochtene Entscheidung keine Untersuchung der angemeldeten Waren. Doch zeigt andererseits die Beschwerde selbst auch keine Gesichtspunkte auf, die eine unterschiedliche Beurteilung für jeweils unterschiedliche Waren erlauben sollten, und solche sind auch für die Kammer nicht ersichtlich.

  1. Auf Grund seines einfachen Charakters ist das Anmeldezeichens ungeeignet, als Herkunftshinweis zu dienen, und zwar gleichermaßen in Bezug auf Waschmittel oder Körperpflegemittel der Klasse 3, bei denen es sich um Waren des täglichen Verbrauchs handelt, in Bezug auf pharmazeutische Erzeugnisse, bei denen es sich sogar um Tabletten handeln kann, die so wie im Anmeldezeichen wiedergegeben aussehen, in Bezug auf die anderen, im weitesten Sinne medizinisch-pharmazeutischen Waren der Klasse 5, auch soweit sie sich an Fachverkehrskreise richten, in Bezug auf Fleisch, Fisch und Gemüse oder in Bezug auf flüssige Nahrungsmittel wie Speiseöl und Milch.

  1. Es ist auch durchaus korrekt, die vermutete Wahrnehmung des Anmeldezeichens auf einer Produktverpackung zu berücksichtigen. Nur hat dies auf der Basis des angemeldeten Zeichens zu geschehen und nicht unter der Annahme der Hinzufügung willkürlicher anderer Angaben oder Zeichen, seien es beschreibende Angaben oder herkunftshinweisende Kennzeichnungen. Im Rahmen von Artikel 7 (1) (b) UMV ist eine Prognoseentscheidung zu treffen, wie das Anmeldezeichen im Zusammenhang mit der Vermarktung der angemeldeten Waren, etwa auf oder im Zusammenhang mit der Ware, erscheinen wird und wahrgenommen werden wird, wobei auf die nach der allgemeinen Lebenserfahrung wahrscheinlichsten Formen der Verwendung des Anmeldezeichens im geschäftlichen Verkehr abzustellen ist (26.4.2012, C-307/11 P, „Winkel“, EU:C:2012:254, § 55). Eine solche Prognoseentscheidung führt hier zu einem für die Anmelderin ungünstigen Ergebnis.

  1. Dem Anmeldezeichen fehlt für alle beanspruchten Waren der Klassen 3, 5 und 29 jede Unterscheidungskraft i.S.v. Artikel 7 (1) (b) UMV.

Tenor der Entscheidung

Aus diesen Gründen entscheidet

DIE KAMMER

wie folgt:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Signed

D. Schennen

Signed

C. Bartos

Signed

E. Fink

Registrar:

Signed

H.Dijkema

18/01/2017, R 1578/2016-4, ROTE KREISFLÄCHEN

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