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HAUPTABTEILUNG KERNGESCHÄFT |
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Vollständige Zurückweisung der Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke gemäß Artikeln 7 und 37 der Unionsmarkenverordnung Nr. 2015/2424 (UMV) und Regel 11(3) der Durchführungsverordnung Nr. 2868/1995 (DV)
Alicante, 10/06/2016
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Kuhnen & Wacker Patent- und Rechtsanwaltsbüro Postfach 19 64 85319 Freising Deutschland |
Anmeldenummer |
14994511 |
Ihr Zeichen |
53/OF05K10/EM |
Marke |
OFM OBERFRÄNKISCHE FERNMELDEMONTAGE |
Anmelderin |
OFM Communications GmbH & Co. KG Kulmbacher Strasse 72 96224 Burgkunstadt Deutschland |
Sachverhalt
Das Amt beanstandete am 1. Februar 2016 die Anmeldung unter Berufung auf den beschreibenden Charakter gemäß Artikel 7(1)(c) sowie auf fehlende Unterscheidungskraft gemäß Artikel 7(1)(b) so wie auf Artikel 7(2) GMV. Die Beanstandung wird im beiliegenden Schreiben begründet.
Die Anmelderin nahm mit Schreiben vom 23. März 2016 zu der Beanstandung Stellung. Diese Stellungnahme kann wie folgt zusammengefasst werden:
Nach den Richtlinien des Amtes sei diese Kombination schutzfähig.
Weil FERNMELDEMONTAGE in einem Wort geschrieben werde, mache OFM keinen Sinn.
Die Vierte Beschwerdekammer habe in dem Fall R0698/2013-4 CC CLEVER CLIP anders entschieden.
Es gebe ähnliche Voreintragungen.
Das Amt habe bereits eine identische Anmeldung 2011 eingetragen.
Widerlegung der Gegenargumente
Nach den Richtlinien des Amtes sei diese Kombination schutzfähig.
Die Anmelderin zitiert aus den Richtlinien. Es gebe drei unterschiedliche „Abkürzungsmarken“:
Zeichen nach dem Prinzip „MULTI MARKET FUND MMF“
Zeichen nach dem Prinzip „NAI Der Natur Aktien Index“
Zeichen nach dem Prinzip „The Organic Red Tomato Soup Company ORTS“
Hierzu Folgendes:
Erstens, Richtlinien sind Richtlinien, die von dem EUIPO selbst aufgestellt worden sind, damit sich die Prüfer nach ihnen richten können. Diese Richtlinien treten nicht an Stelle der Unionsverordnung oder der Luxemburger Rechtsprechung.
Die zweite Zeichenkategorie ist eigentlich keine selbständige Kategorie, sondern eine der ersten Kategorie untergeordnete Subkategorie. Es erscheint logisch, daß bei Akronymen Artikel nicht berücksichtigt werden: Niemand würde den Natur-Aktien-Index als DNAI abkürzen.
Die dritte Kategorie wird mit einem frei erfundenen Beispiel erläutert, das nicht zu überzeugen vermag. Diese Marke gibt es nicht in den Datenbanken des EUIPO. Es ist fraglich, ob es überhaupt Marken der dritten Kategorie gibt. Zudem ist noch zu beachten, daß das Buchstabenwort statt ORTS eigentlich ORTSC hätte lauten sollen.
Weil FERNMELDEMONTAGE in einem Wort geschrieben werde, mache OFM keinen Sinn.
OFM steht für Oberfränkische Fernmelde Montage, ob nun „Fernmeldemontage“ in einem oder in zwei Worten geschrieben wird. Natur-Aktien-Index NAI wäre auch NAI, wenn die Anmeldung Natur-Aktienindex geheißen hätte. Eine Zäsur zwischen Aktien und Index ist logisch, genau so wie zwischen Fernmelde und Montage.
Die Vierte Beschwerdekammer habe in dem Fall R0698/2013-4 CC CLEVER CLIP anders entschieden.
Dieser Entscheidung der Vierten Kammer folgt jedoch die Prüfungsabteilung des EUIPO nicht, weil sie gegen das NAI-Urteil des Gerichtshofs verstößt.
Nach Ansichten der Vierten Kammer sei eine Abkürzung, deren Benutzung nicht marktüblich sei und die sich auch nicht lexikalisch belegen lasse, unterscheidungskräftig, auch wenn sie innerhalb des gleichen Anmeldezeichens mit vollständigen Wörtern sozusagen erklärt werde. NAI Natur Aktien Index, CC Clever Clip oder OFM Oberfränkische Fernmeldemontage.
Die Argumentation der Kammer ist dahingehend auszulegen, daß CC oder NAI oder OFM immer unterscheidungskräftig bleibe, auch wenn das Buchstabenwort erklärt werde, weil man das Buchstabenwort ohne Erklärung auch akzeptieren würde. Der Gesamtbegriff weise deshalb immer zumindest einen unterscheidungskräftigen Teil auf.
Diese Argumentation beruht jedoch auf einer Fehlinterpretation des NAI-Urteils. Der Gerichtshof sagt ganz klar, daß an sich schutzfähige Buchstabenwörter in Kombination mit einer Erklärung der Abkürzung durch vollständige Wörter ihre Unterscheidungskraft verlieren und daß deshalb in dem Gesamtbegriff nicht mehr die Rede von einem unterscheidungskräftigen Teil (das Buchstabenwort) und einem beschreibenden Teil (die erklärenden Wörter), sondern von zwei beschreibenden und nicht-unterscheidungskräftigen Bestandteilen ist.
Entscheidungen unserer höchstrichterlichen Instanz, auch wenn sie uns vielleicht ab und zu nicht gerade passen, sind sofort und ohne Vorbehalt anzuwenden. Das gilt für den Markenprüfer und für die Beschwerdekammer.
Die Begründung der Schutzfähigkeit von CC CLEVER CLIP ist auch aus anderen Gründen schwer nachzuvollziehen. So sagt die Kammer auch Folgendes:
„Jeder Gewerbetreibende hat das Recht (vgl. Artikel 12 GMV) und aus kommerzieller Sicht die Notwendigkeit, – ohne einen Hinweis darauf, um welche Ware es sich handelt, lässt sich keine Ware verkaufen – auf die Art der Ware oder nähere einzelne Eigenschaften derselben hinzuweisen.“
(BK-Entscheidung vom 14. November 2013 R0698/2013-4 CC CLEVER CLIP, Rn. 11)
Klar hat jeder das Recht auf die Waren hinzuweisen. Solange das Markenzeichen unterscheidungskräftig bleibt, ist das kein Problem: MÜLLER’S FRISCHES OBST.
Der Hinweis auf Artikel 12, der den Schutzumfang der Unionsmarke nach Eintragung reguliert und nichts mit der Prüfung auf absolute Schutzhindernisse zu tun hat, ist unverständlich.
Es gebe ähnliche Voreintragungen.
Das Amt habe bereits eine identische Anmeldung 2011 eingetragen.
Das Amt ist erstens nicht an Eintragungen in Drittländern gebunden, so wie aus der Rechtsprechung hervorgeht:
„Wie in Randnummer 32 des vorliegenden Urteils ausgeführt, hat die zuständige Behörde, um zu klären, ob die Marke, deren Eintragung begehrt wird, unter eines der Eintragungshindernisse des Artikels 3 der Richtlinie fällt, ihre Eigenschaften zu berücksichtigen. Überdies wird, wie in Randnummer 33 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Eintragung einer Marke stets für die im Eintragungsantrag genannten Waren oder Dienstleistungen begehrt.
Die Tatsache, dass eine Marke in einem ersten Mitgliedstaat für bestimmte Waren oder Dienstleistungen eingetragen wurde, kann daher keinen Einfluss auf die Frage haben, ob eine ähnliche Marke, deren Eintragung in einem zweiten Mitgliedstaat für ähnliche Waren oder Dienstleistungen beantragt wird, unter eines der Eintragungshindernisse des Artikels 3 der Richtlinie fällt.
Auf die neunte Frage ist daher zu antworten, dass die Tatsache, dass eine Marke in einem Mitgliedstaat für bestimmte Waren oder Dienstleistungen eingetragen wurde, keinen Einfluss auf die Prüfung hat, der ein Antrag auf Eintragung einer ähnlichen Marke für ähnliche wie die für die erste Marke eingetragenen Waren oder Dienstleistungen durch die in einem anderen Mitgliedstaat für die Eintragung von Marken zuständige Behörde unterzogen wird.“
(Urteil des Gerichtshofs vom 12. Februar 2004 in dem dem Gerichtshof vorgelegten Ersuchen um eine Vorabentscheidung C-363/99 Benelux-Merkenbureau ./. KPN Nederland N.V. [POSTKANTOOR], Randnummern 42-44)
Nicht einmal die Eintragungen im eigenen Register vermögen das Amt zu binden, weil es in jedem Einzelfall eine Entscheidung zu treffen hat, die sich nicht auf irgendeine bestehende Eintragungspraxis, sondern vielmehr auf die Verordnung und auf die Luxemburger Rechtsprechung zu stützen hat1.
Zu der Unionsmarke 9682592 OFM OBERFRÄNKISCHE FERNMELDEMONTAGE aus dem Jahre 2011 muß leider festgestellt werden, daß der zuständigen Prüferin die neueste Rechtsprechung (2009) zum Zeitpunkt der Prüfung anscheinend nicht bekannt war.
Zusammenfassend urteilt das Amt, daß:
OFM OBERFRÄNKISCHE FERNMELDEMONTAGE ohne jeglichen Zweifel zumindest für die deutschsprachigen Verkehrskreise einen klaren Hinweis auf bestimmte Aspekte der beanspruchten Dienstleistungen darstellt, nämlich daß diese Dienstleistungen die Installation und Montage von Telekommunikationsgeräten und die Verlegung von Kabeln in Oberfranken betreffen.
das Zeichen auf diese Weise unmittelbar bestimmte Eigenschaften der beanspruchten Dienstleistungen beschreibt.
es unerheblich ist, daß die von der Anmelderin gewählte Buchstabenkombination OFM in Alleinstellung vielleicht nicht üblicherweise verwendet würde und unterscheidungskräftig gewesen wäre.
das Zeichen für alle Dienstleistungen zurückzuweisen ist.
Beschwerdebelehrung
Gemäß Artikel 59 UMV können Sie gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Darüber hinaus ist innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst mit der Zahlung der Beschwerdegebühr in Höhe von EUR 720,00 als eingelegt.
Robert KLIJN BRINKEMA
1 Urteil des Gerichts vom 14. Juli 2014 in der Rechtssache T-404/13 HABM ./. NIT Insurance Technologies, Inc. [SUBSCRIBE], Rn. 47