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HAUPTABTEILUNG KERNGESCHÄFT |
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Vollständige Zurückweisung der Anmeldung einer Unionsmarke gemäß Artikeln 7 und 37 der Unionsmarkenverordnung Nr. 207/2009 (UMV), der Änderungsverordnung Nr. 2015/2424 und Regel 11(3) der Durchführungsverordnung Nr. 2868/1995 (UMDV)
Alicante, 08/05/2017
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Stumpf Patentanwälte PartgmbB Alte Weinsteige 73 70597 Stuttgart Deutschland |
Anmeldenummer |
15947203 |
Ihr Zeichen |
SkintegrityLogo1
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Marke |
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Art der Marke |
Bildmarke |
Anmelderin |
Paul Hartmann AG Paul-Hartmann-Str. 12 89522 Heidenheim Deutschland |
Sachverhalt
Das Amt beanstandete am 15. November 2016 die Anmeldung unter Berufung auf fehlende Unterscheidungskraft gemäß Artikel 7(1)(b) UMV. Die Beanstandung wird im beiliegenden Schreiben begründet.
Die Anmelderin nahm mit Schreiben vom 11. Januar 2017 zu der Beanstandung Stellung. Diese Stellungnahme kann wie folgt zusammengefasst werden.
Die Darstellung enthalte Grauschattierungen, die einen 3D-Effekt bewirkten.
Das Zeichen sei stark stilisiert.
Hinzu komme die etikettenhafte Umrandung, die der angemeldeten Marke einen harmonischen Gesamteindruck verleihe.
Das Amt habe bereits viele Kreuz-Anmeldungen eingetragen.
Entscheidung
Gemäß Artikel 75(1) UMV obliegt es dem Amt, eine mit Gründen zu versehende Entscheidung zu treffen, zu denen sich die Anmelderin äußern konnte.
Nach eingehender Prüfung der Argumente der Anmelderin hat das Amt entschieden, die Beanstandung aufrechtzuerhalten und die Anmeldung für alle Waren zurückzuweisen:
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Pharmazeutische Erzeugnisse; chemische Erzeugnisse für die Körperpflege zum Schutz und zur Reinigung der Haut; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; Windeln, Windeleinlagen, Höschenwindeln und Saugvorlagen für Inkontinente und Kranke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Pflaster, Verbandmaterial; Verbandmaterial auch mit röntgenkontrastfähigem Material oder Detektionschip, Röntgenkontrastmaterial; Desinfektionsmittel; Watte und Watteprodukte für medizinische und hygienische Zwecke; mit Desinfektionsmitteln und/oder Öl und/oder Reinigungsmitteln getränkte Watte oder Zellstofftücher für medizinische und hygienische Zwecke; Erste-Hilfe-Material, nämlich Verbandstoffe und pharmazeutische Produkte als Teile eines Sets und Nachfüllpackungen mit diesen Waren ausgestattet; gefüllte Verbandkästen; Fixierhöschen, gewirkt und/oder gestrickt aus Textilfäden oder bestehend aus Zellstoff, zur Fixierung von Saugvorlagen, sämtliche vorgenannten Waren für die Inkontinentenversorgung; Verbandwechselsets, nämlich Verbandmaterial, Pflaster, Kompressen, Tupfer, Tampons als Teile eines Verbandwechselsets; Kathetersets, nämlich pharmazeutische Erzeugnisse, Verbandmaterial, chemische Erzeugnisse für die Körperpflege zum Schutz und zur Reinigung der Haut, Pflaster, Kompressen, Tupfer, Tampons, Verbandmaterial auch mit röntgenkontrastfähigem Material, Desinfektionsmittel als Teile eines Katheter-Sets; OP-Sets, nämlich pharmazeutische Erzeugnisse, Verbandmaterial, Verbandmaterial, auch mit röntgenkontrastfähigem Material oder Detektionschip, Pflaster, Kompressen, Tupfer, Tampons, Binden, Bandagen, Bauchtücher, auch mit Röntgenkontrastchip, Inzisionsfolien, Gefäßschlingen, Inkontinenz-Vorlagen und Inkontinenz-Unterlagen, als Teile eines OP-Sets.
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Chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate, künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; orthopädische Artikel; chirurgisches Nahtmaterial; Wundnahtstreifen; Thermometer für medizinische Zwecke; Untersuchungs-, Schutz- und Operationshandschuhe für ärztliche, medizinische und chirurgische Zwecke; Tücher zur Sterilabdeckung von Patienten und Gegenständen; Mund- und Nasenmasken, Betteinlagen aus Zellstoff, Vliesstoff, Kunststoff, Textilstoffen und/oder Gummi für Kinder und Kranke; Krankenunterlagen und Unterlagen für Inkontinente (soweit in Klasse 10 enthalten); Katheter; Kathetersets, nämlich Untersuchungs-, Schutz- und Operationshandschuhe für ärztliche, medizinische und chirurgische Zwecke, Katheter, Urinale, Tücher zur Sterilabdeckung von Patienten und Gegenständen, chirurgische und ärztliche Instrumente und Apparate, Wundnahtstreifen als Teile eines Kathetersets; Urinale; aus Vliesstoff und/oder Kunststoff bestehende Saugertaschen zur Aufnahme von Saugerschläuchen; Operationssets, nämlich Untersuchungs-, Schutz- und Operationshandschuhe, Katheter, Urinale, Tücher zur Sterilabdeckung von Patienten und Gegenständen, chirurgische, ärztliche und tierärztliche Instrumente und Apparate, Spatel, Becher und Schalen, medizinische Filter, Nahtmaterial, Flaschen, Beutel, Spritzen, Kanülen, Filternadeln, Elektroden, Drainagen und Schläuche, Trocare, Saugsysteme/Flüssigkeits-Leitsysteme, Hautmarkierungsstifte, Nadel- und Klingensammler, Produkte für angiografische Eingriffe als Teile eines OP-sets, sowie Spezialbehälter für medizinische Zwecke, nämlich Gefäße aus Kunststoff, Papier oder Metallfolien; Erste-Hilfe-Material, nämlich ärztliche Instrumente als Teile eines Sets und Nachfüllpackungen mit diesen Waren ausgestattet; Berufsbekleidungsstücke für medizinisches Personal sowie Patienten als Einmal- und Mehrwegbekleidung; Verbandwechselsets, nämlich Tücher zur Sterilabdeckung von Patienten und Gegenständen als Teile eines Verbandwechselsets.; Bauchtücher, auch mit Röntgenkontrstchip, Inzisionsfolien, Gefäßschlingen; OP-Kleidung als Einmal-und Mehrwegbekleidung.
Widerlegung der Gegenargumente
Die Darstellung enthalte Grauschattierungen, die einen 3D-Effekt bewirkten.
Das Zeichen sei stark stilisiert.
Das Amt teilt nicht die Meinung der Anmelderin, daß es sich hier um eine „stark stilisierte“ 3D-Anmeldung handeln würde:
Das Kreuz ist nicht ganz ein normales Kreuz, weil es tatsächlich in der Mitte etwas hat, was auf anderen Kreuzen nicht vorhanden ist. Die Anmelderin sagt dazu selbst Folgendes:
„Das untere Band ist von unten bis zur Mitte in einem rechten Winkel nach links und das obere Band von oben bis zur Mitte in einem rechten Winkel nach rechts weggeklappt, so dass sich die Bänder jeweils in einem mittleren Bereich überdecken und vier gleiche Arme ausbilden, wobei sich eine kreuzförmige Darstellung ergibt.“
Vor allem wegen der Abwesenheit auffälliger, kontrastierender Farben (das Ganze ist ganz unauffällig in Weiß-Grau gehalten) fällt diese Anomalität nicht besonders ins Auge und bleibt das Kreuz für den angesprochenen Abnehmer ein Kreuz, das auf medizinische Produkte hinweist. Der verständige und durchschnittlich aufmerksame Verbraucher ist an Kreuze, ob nun grün oder rot oder grau, in Verbindung mit medizinischen Erzeugnissen und Dienstleistungen gewöhnt.
Hinzu komme die etikettenhafte Umrandung, die der angemeldeten Marke einen harmonischen Gesamteindruck verleihe.
Die etikettenhafte Umrandung läßt nur vermuten, daß dieses Zeichen niemals in dieser Form im Geschäftsverkehr benutzt wird. Es fehlt nämlich innerhalb der etikettenhaften Umrandung noch ein unterscheidungskräftiger Markenname.
Die Umrandung an sich trägt nicht zur Unterscheidungskraft bei. Sie ist eine einfache Figur, ein Rechteck mit zwei abgerundeten Ecken.
Das Amt habe bereits viele Kreuz-Anmeldungen eingetragen.
Was das Argument betrifft, das EUIPO hätte einige Marken akzeptiert, die auf den ersten Blick „ähnlich“ erscheinen, so ist darauf hinzuweisen, daß diese Entscheidungen nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Das Amt muß in jedem Fall den konkreten Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand des Verfahrens ist, und kann keinen Vergleich mit sämtlichen anderen Entscheidungen anstellen, die in Bezug auf Anmeldungen ähnlicher Marken getroffen wurden. Ferner ist festzustellen, daß die Entscheidungen des Amtes über die Eintragung eines Zeichens gemäß UMV gebundene Entscheidungen und keine Ermessenentscheidungen sind.
Auch sind Entscheidungen, mit denen Markenanmeldungen zur Veröffentlichung akzeptiert werden, sehr oft nicht von erläuternden Vermerken versehen, die uns über die Motive des zuständigen Prüfers hätten aufklären können.
Die Rechtmäßigkeit der amtlichen Entscheidungen ist allein auf der Grundlage der UMV und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen1.
Daher stellen Voreintragungen höchstens ein Indiz dar, das in Betracht gezogen werden kann, ohne daß ihm innerhalb des Anmeldeverfahrens ein wesentliches Gewicht zukommt. Dies wurde vom Gericht in neuer Rechtsprechung bestätigt.2
Die Anmelderin schickt eine Liste mit „ähnlichen“ Eintragungen, die alle ein Kreuz enthalten. Einige Eintragungen möchte das Amt mit einem kurzen Kommentar versehen:
UM 11276557
Vermerk in der Akte:
AG ok according to manual ++ "a cross in b/w (or shades of grey) is not objectionable".
Die Prüferin meinte hier, daß dieses Kreuz, weil es eben in Schwarz-Weiß erscheint, nicht nach Artikel 7(1)(i) (Nachahmung des Roten Kreuzes) zu beanstanden wäre. In den Richtlinien des Amtes wird nämlich Folgendes erwähnt: „The Red Cross, as its denomination indicates, is red and the colour constitutes a very essential element of its protection.“
Den Zurückweisungsgrund 7(1)(b) hat sie wahrscheinlich gar nicht geprüft. Aus der Akte geht dies auf jeden Fall nicht hervor.
UM 12403192
Diese Kombination ist wahrscheinlich OK. Kein Vermerk in der Akte. Klassen 5, 10 und/oder 44 nicht im Verzeichnis enthalten.
UM 13414941
Schon etwas einfacher als die vorige. Prüferin hat sich Gedanken über die Schutzfähigkeit gemacht und meinte, daß das Gesamtbild gerade überzeugte. Klassen 5, 10 und/oder 44 nicht im Verzeichnis enthalten.
UM 14346365
Fragwürdig. Kein Vermerk in der Akte. Klasse 44 im Verzeichnis enthalten. Sonstige Dienstleistungsklassen teilweise auf Medizin beschränkt.
UM 14837801 UM 15947203
Die Abbildung links ist eine zurückgewiesene Anmeldung der Anmelderin, die dem obigen Zeichen ganz ähnlich sieht. Die hier zu prüfende Anmeldung sieht nicht besser aus.
UM 11525045
Ganz schlecht für Klasse 44. Info von einem Mediziner über Gesundheit. Kein Vermerk in der Akte.
Die sonstigen Kreuze sind alle mehr oder weniger unterscheidungskräftig oder sehen den hier oben erwähnten so ähnlich, daß sich ein separater Kommentar erübrigt.
Ganz am Ende ihrer Stellungnahme sagt die Anmelderin noch Folgendes:
„Der angesprochene Verbraucher ist auf dem vorliegenden medizinischen Warengebiet daran gewöhnt, dass Produkte mit Kreuzdarstellungen gekennzeichnet werden, und dass diese sorgfältig verglichen und auseinandergehalten werden müssen. Abweichende Merkmale fallen daher ohne weiteres Nachdenken ins Auge.“
Mit dem ersteren Teil dieser Aussage ist das Amt einverstanden: Kreuzdarstellungen werden in Hülle und Fülle auf dem medizinischen Sektor benutzt. Die Schlußfolgerung der Anmelderin im letzteren Teil teilt das Amt jedoch nicht.
Ganz im Gegenteil ist das Amt davon überzeugt, daß der Kunde so daran gewöhnt ist, Kreuzdarstellungen auf medizinischen Produkten anzutreffen, daß er solche Kreuzdarstellungen nicht mehr als Marke, sondern en passant nur noch als generisches Zeichen wahrnimmt: „Aha, ein Kreuz, es geht also um Medikamente, aber nicht um Medikamente, die eine bestimmte, betriebliche Herkunft haben.“
Nur in stark verfremdeten Darstellungen von Kreuzen oder Darstellungen, in denen Kreuze enthalten sind, wird der Durchschnittsabnehmer von Arzneimitteln und medizinischer Dienstleistungen noch einen Herkunftshinweis auf eine bestimmte betriebliche Quelle erkennen:
Das hier zu prüfende Zeichen gehört nach Ansichten des Amtes nicht zu diesen stark verfremdeten Kreuzdarstellungen:
Zusammenfassend urteilt das Amt, daß:
ohne
jeglichen Zweifel für die angesprochenen Konsumenten, eine Aussage
über Merkmale der zurückgewiesenen Waren darstellt, in dem Sinne
daß die von der Anmelderin angebotenen Waren alle medizinischer Art
sind.
deshalb
von den Verkehrskreisen als ohne Unterscheidungskraft (generisch)
aufgefaßt wird und nicht in der Lage ist, auf eine exklusive
betriebliche Herkunft hinzuweisen.
die Stilelemente eher banal und nichtssagend sind und also der Unterscheidungskraft nach Artikel 7(1)(b) entbehren.
das Zeichen deshalb auf der Grundlage von Artikel 7(1)(b) UMV für alle Waren zurückzuweisen ist.
Beschwerdebelehrung
Gemäß Artikel 59 UMV können Sie gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen.
Darüber hinaus ist innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst mit der Zahlung der Beschwerdegebühr in Höhe von EUR 720,00 als eingelegt.
Robert KLIJN BRINKEMA
1 Urteil des Gerichtshofs vom 12. Januar 2006 in der Rechtssache C-173/04P „Standbeutel“, Rn. 48-49
2 Urteil des Gerichts vom 12. September 2013 in der Rechtssache T-492/11, „Tampon“, Rn. 33-34