HAUPTABTEILUNG KERNGESCHÄFT



L123


Zurückweisung der Anmeldung einer

Unionsmarke gemäß Artikel 7 UMV und Regel 11 Absatz 3 UMDV


Alicante, 14/03/2017



WAGNER HALBE RECHTSANWÄLTE

Hohenstaufenring 44-46

D-50674 Köln

ALEMANIA


Anmeldenummer:

015976723

Ihr Zeichen:


Marke:

GAYSHOP.COM

Art der Marke:

Wortmarke

Anmelderin:

KRAHO GmbH

Oberau 6

A-6351 Scheffau

AUSTRIA


Das Amt beanstandete am 31/10/2016 die Anmeldung unter Berufung auf den beschreibenden Charakter sowie auf fehlende Unterscheidungskraft gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b und c UMV und Artikel 7 Absatz 2 UMV. Die Beanstandung wird im beiliegenden Schreiben begründet.


Die Anmelderin nahm mit Schreiben vom 07/12/2016 hierzu Stellung. Die Stellungnahme kann wie folgt zusammengefasst werden:


  1. Ein geringer Grad an Unterscheidungskraft würde schon ausreichen, um das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft zu überwinden.

  2. Das Element „.COM“ sei nicht sprachüblich und würde dem Anmeldezeichen dieses Mindestmaß an Unterscheidungskraft verleihen

  3. Durch die durchgängige Verwendung von Großbuchstaben würde eine Abweichung von der gebräuchlichen Schreibweise erzielt, was dem Zeichen ebenfalls die erforderliche Unterscheidungskraft verleihe

  4. Die Wortelemente „Gay“ und „Shop“ verfügen über verschiedene Bedeutungen und seien deshalb nicht direkt und unmittelbar für die beanspruchten Dienstleistungen beschreibend


Gemäß Artikel 75 UMV obliegt es dem Amt, eine mit Gründen zu versehende Entscheidung zu treffen, zu denen sich die Anmelderin äußern konnte.


Nach eingehender Prüfung der Argumente der Anmelderin hat das Amt entschieden, die Beanstandung aufrechtzuerhalten.



1. Zum beschreibenden Charakter


Nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c UMV sind von der Eintragung ausgeschlossen „Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können.“


Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass jedes der in Artikel 7 Absatz 1 UMV genannten Eintragungshindernisse voneinander unabhängig ist und getrennt geprüft werden muss. Außerdem sind die genannten Eintragungshindernisse im Licht des Allgemeininteresses auszulegen, das jedem von ihnen zugrunde liegt. Das zu berücksichtigende Allgemeininteresse muss je nach dem betreffenden Eintragungshindernis in unterschiedlichen Erwägungen zum Ausdruck kommen (16/09/2004, C 329/02 P, SAT/2, EU:C:2004:532, § 25).


Mit dem Ausschluss solcher Zeichen oder Angaben als Unionsmarke verfolgt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c UMV das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen und Angaben, die Waren oder Dienstleistungen beschreiben, für die die Eintragung beantragt wird, von jedermann frei verwendet werden können. Diese Bestimmung erlaubt es daher nicht, dass solche Zeichen oder Angaben durch ihre Eintragung als Marke einem einzigen Unternehmen vorbehalten werden.

(23/10/2003, C 191/01 P, Doublemint, EU:C:2003:579, § 31).


Unter Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c [UMV] fallen damit solche Zeichen und Angaben, die im normalen Sprachgebrauch aus Sicht der Verbraucher die Waren oder Dienstleistungen, die eingetragen werden sollen, entweder unmittelbar oder durch Hinweis auf eines ihrer wesentlichen Merkmale bezeichnen können“ (26/11/2003, T 222/02, Robotunits, EU:T:2003:315, § 34).


Nach Auffassung des Amtes beschreibt das Anmeldezeichen in direkter Art und Weise die Charakteristiken der beanspruchten Dienstleistungen, nämlich dass diese auf einer Webseite angeboten werden und für den homosexuellen Markt bestimmt sind.


In der Stellungnahme vom 07/12/2016 macht die Anmelderin geltend, dass der Anhang „.COM“ als generische Top-Level-Domain gerade dazu bestimmt sei, eine Unterscheidungskraft herbeizuführen. Diese Ansicht kann das Amt nicht teilen Der EuGH hat erst kürzlich in der Rechtssache T-134/15, „SOCIAL.COM“, Urteil vom 28/06/2016, folgendes festgestellt: „The element “.COM” will be immediately recognized as referring to a website. Taken as a whole, the EUTMA will be understood as an overall internet-related concept in relation to society, that is to say an “internet-based social interaction” (paras. 20-24)“. In der Verfahrenssprache bedeutet dies: „. „Das Element „.COM“ wird sofort als Hinweis auf eine Webseite verstanden werden. … (…)“. Auch im vorliegenden Fall würde das Kürzel „.COM“, das dem Wortelement „Gayshop“ folgt als Hinweis auf eine Webseite verstanden werden.


Die Gesamtmarke „GAYSHOP.COM“ bringt somit in klarer, unmissverständlicher Weise zum Ausdruck, dass es sich um eine Webseite handelt, die Waren und Dienstleistungen für Homosexuelle anbietet.


Alle der hier angemeldeten Dienstleistungen, nämlich Einzel- und Großhandelsdienstleistungen für verschiedene Waren sowie Online-Unterhaltung, Veröffentlichung von Online-Zeitungen oder die Bereitstellung von Online-Videos können elektronisch, d. h. über das Internet oder über eine Webseite, angeboten und durchgeführt werden. Bei den in Klasse 41 beanspruchten Dienstleistungen steht zudem schon immer der Vermerk „online“ vor der jeweiligen Dienstleistung.


Weiterhin verhilft eine Mehrdeutigkeit einem beschreibenden Zeichen nicht automatisch zur Eintragungsfähigkeit.


Für eine Marke, deren Anmeldung nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c UMV zurückzuweisen ist, ist nicht vorauszusetzen, dass die Zeichen und Angaben, aus denen die in diesem Artikel genannte Marke besteht, zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits tatsächlich für die in der Anmeldung aufgeführten Waren oder Dienstleistungen oder für ihre Merkmale beschreibend verwendet werden. Es genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, dass die Zeichen oder Angaben zu diesem Zweck verwendet werden können. Ein Zeichen ist daher von der Eintragung auszuschließen, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet. (23/10/2003, C 191/01 P, Doublemint, EU:C:2003:579, § 32, Hervorhebung hinzugefügt.)


Auch wenn es stimmt, dass das Wortelement „gay“ verschiedene Bedeutungen hat, so ist mittlerweile der gebräuchlichste der vom Amt genannte, nämlich im Sinne von „homosexuell“ bzw. „Homosexueller“.


Darüber hinaus muss eine Marke, wie die Anmelderin sicherlich weiß, immer in ihrer Gesamtheit und in Zusammenhang mit den unter ihr beanspruchten Waren und Dienstleistungen geprüft werden. Im vorliegenden Fall handelt es sich um allgemeine Einzel- und Großhandelsdienstleistungen sowie Unterhaltungs- und Publikationsdienstleistungen. Es sind allgemeine Dienstleistungen, die hauptsächlich an allgemeine Verkehrskreise gerichtet sind, wobei die Großhandelsdienstleistungen sich an Gewerbetreibende richten. Daher ist von einem eher durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad seitens der betroffenen Verkehrskreise auszugehen.


Zum heutigen Zeitpunkt sind Homosexuelle und Lesben eine bestimmte Zielgruppe im kapitalistischen Marktsystem. So spricht man von der LGBT Community (Lesbian, Gay, Bisexual or Transgender) (siehe Blog Is4Profit, abgerufen am 13/3/17 unter http://is4profit.com/business-blog/the-lgbt-community-a-possible-target-market/ , The LGBT Community: A Possible Target Market?), die als wirtschaftliche Zielgruppe im Fokus der Unternehmer stehen: „Market Focus: Gays and Lesbians, abgerufen am 13/03/2017 unter http://www.targetmarketingmag.com/article/market-focus-gays-lesbians-28746/all/ ). Es gibt bereits spezielle Urlaubsanbieter für dieses Publikum wie z. B. DELTA Vacations, die „LGBT – Friendly Vacations“ anbieten, abgerufen am 13/03/2017 unter http://www.deltavacations.com/info/lgbt-vacations oder spezielle Veröffentlichungen, wie z. B. die Online-Zeitschrift „ADVOCATE“, die an diese Gruppe gerichtet ist.


So kann es sich bei Verkaufs-, Veröffentlichungs- und Unterhaltungsdienstleistungen um an den homosexuellen Markt gerichtete Verkaufsdienstleistungen handeln, bei den Veröffentlichungen kann es sich um Zeitschriften oder Themen handeln, die das homosexuelle Publikum interessiert und bei den Unterhaltungsdienstleistungen um solche, die für Homosexuelle bestimmt sind.


Das Gesamtzeichen „GAYSHOP.COM“ erschöpft sich nach Ansicht des Amtes in der Beschreibung bestimmter Merkmale der beanspruchten Dienstleistungen, nämlich dass diese über ein Geschäft in Form einer Webseite, das sich an ein homosexuelles Publikum richtet, angeboten werden.


In diesem Zusammenhang ist es auch nicht ersichtlich, weshalb die betroffenen Verkehrskreise, wenn mit Verkaufsdienstleistungen konfrontiert, das Wort „Shop“ nicht im Sinne von „Geschäft“ sondern als „Werkstatt“ wahrnehmen sollten.

2. zur mangelnden Unterscheidungskraft


Der Ausdruck „GAYSHOP.COM“ enthält keine Bestandteile, die es über seine offenkundig werbende und anpreisende Bedeutung hinaus den maßgebenden Verkehrskreisen ermöglichen könnten, sich dieses Zeichen ohne Weiteres und unmittelbar als unterscheidungskräftige Marke für die betreffenden Waren einzuprägen (Urteil vom 5.12.2002, T 130/01, „REAL PEOPLE, REAL SOLUTIONS“, Randnummer 28).


Es handelt sich um eine simple Zusammenfügung zweier Substantive und des Kürzels „.COM“, was auf eine Webseite oder die elektronische Verfügbarkeit hinweist. Die von der Anmelderin genannte Abweichung von der üblichen Schreibweise durch die ausschließliche Verwendung von Großbuchstaben ändert nichts am Sinngehalt des Zeichens, der immer noch klar erkenntlich ist und den betroffenen Verkehrskreisen ohne großes Nachdenken ins Auge springt. Ebenso wenig wird dadurch die Phonetik verändert. Das Schriftbild ist banal und gängig, allein die Verwendung von Großbuchstaben ist nicht ausreichend, um einer beschreibenden Angabe das Mindestmaß an Unterscheidungskraft zu verleihen.


Das Zeichen ist somit nicht in der Lage, den Verkehrskreisen einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der unter ihm beanspruchten Dienstleistungen zu geben.

Demzufolge besitzt die angemeldete Marke – „GAYSHOP.COM“ – in ihrer Gesamtheit gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b UMV und Artikel 7 Absatz 2 UMV keine Unterscheidungskraft und ist nicht geeignet, die angemeldeten Waren von anderen zu unterscheiden.


Aus den oben genannten Gründen und gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b und c UMV und Artikel 7 Absatz 2 UMV wird hiermit die Anmeldung für die Unionsmarke Nr. 015976723 - GAYSHOP.COM für alle Dienstleistungen der Anmeldung zurückgewiesen.


Gemäß Artikel 59 UMV können Sie gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.





Patricia MOTZER

Avenida de Europa, 4 • E - 03008 • Alicante, Spanien

Tel. +34 965139100 • www.euipo.europa.eu


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