LÖSCHUNGSABTEILUNG
LÖSCHUNG Nr. C 39 842 (NICHTIGKEIT)
Hörgeräte Jahnecke e.K., Königstrasse 7, 14109 Berlin, Deutschland (Antragsteller), vertreten von Schrade & Partner, Maggistr. 5, 78224 Singen, Deutschland (zugelassener Vertreter)
g e g e n
Ollerup GmbH, Elsastrasse 6, 12159 Berlin, Deutschland (Inhaberin der Unionsmarke), vertreten von Boehmert & Boehmert Anwaltspartnerschaft mbB - Patentanwälte Rechtsanwälte, Kurfürstendamm 185, 10707 Berlin, Deutschland (zugelassener Vertreter) .
Am 09.02.2021 trifft die Löschungsabteilung die folgende
ENTSCHEIDUNG:
1. |
Dem Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit wird stattgegeben. |
2. |
Die Unionsmarke Nr. 17 245 101 wird vollständig für nichtig erklärt. |
3. |
Die Inhaberin der Unionsmarke trägt die Kosten, die auf 1 080 EUR festgesetzt werden. |
Der Antragsteller hat einen Antrag auf Nichtigerklärung der Unionsmarke Nr. 17 245 101 EARS2GO (Wortmarke) (die Unionsmarke), angemeldet am 25/09/2017 und eingetragen am 09/01/2018, eingereicht. Der Antrag richtet sich gegen alle Waren und Dienstleistungen, die von der Unionsmarke erfasst werden, nämlich gegen:
Klasse 10: Akustische Verstärker [Hörgeräte] für hörgeschädigte Personen; elektrische Hörhilfen; Hörgeräte.
Klasse 35: Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf: Akustische Verstärker [Hörgeräte] für hörgeschädigte Personen; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf: Elektrische Hörhilfen; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf: Hörgeräte.
Der
Antragsteller beruft sich auf Artikel 59 Absatz 1 Buchstabe
a UMV in Verbindung mit Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b und
c UMV.
ZUSAMMENFASSUNG DER ARGUMENTE DER PARTEIEN
Der Antragsteller führt an, dass die Unionsmarke aufgrund ihres beschreibenden Charakters und der fehlenden Unterscheidungskraft vollumfänglich für nichtig zu erklären sei. Die zu beanstandenden Waren und Dienstleistungen gehörten zum Bereich der Medizinprodukte und sonstiger Hilfsmittel, die sich in erster Linie an hörgeschädigte Personen richteten, und deren Vertrieb. Der Aufmerksamkeitsgrad sei normal anzusetzen. Da der Ausdruck „EARS2GO“ englischsprachige Wörter enthalte, seien die maßgeblichen Verkehrskreise die englischsprachigen Verbraucher der Union. Die einzelnen Wortelemente „ears“, „2“ und „go“ enthielten eine Bedeutung. Der Begriff sei allgemein verständlich. Die Ziffer „2“ in ihrer Stellung zwischen zwei Wörtern werde mittlerweile allgemein als „to“ wahrgenommen. Der Ausdruck sei daher mit „ears to go“ gleichzusetzen. Im Übrigen gehörten sowohl „ears“ als auch „to go“ zum Grundwortschatz der englischen Sprache, so dass davon auszugehen sei, dass der Ausdruck auch in allen anderen Mitgliedstaaten zumindest von denjenigen, die Englisch als Fremdsprache gelernt hätten, ohne weiteres verstanden werde. Somit stehe das Zeichen für „Ohren zum Mitnehmen“. Ein Ohr und ein Hörgerät (bzw. eine Hörhilfe) dienten demselben Zweck, der Erfassung von akustischen Signalen. Ein Hörgerät (bzw. ein Hörhilfe) sei dementsprechend ein künstliches Ohr, da es akustische Signale erfasse und verstärke. Hörgeräte bzw. Hörhilfen würden zudem typischerweise im Ohr eingesetzt, d.h. der Ausdruck „ears“ weise insofern auch unmittelbar auf die Bestimmung und den Anwendungsbereich dieser Produkte hin. Daher sei die Abbildung eines Ohres ein weitverbreitetes und naheliegendes Gestaltungsmerkmal von Marken für die in Rede stehenden Produkte.
Die Kombination der Begriffe vermittele in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine klare und unzweideutige Botschaft, die keiner Interpretation durch den englischsprachigen Verbraucher bedürfe. Der Begriff „EARS2GO“ sei weder ungewöhnlich, originell noch eigentümlich. Die Wortfolge habe nichts Fantasievolles oder Eigenwilliges an sich. Das Zeichen stelle weder ein Wortspiel noch einen Reim dar. Es handele sich um eine in jeder Hinsicht gewöhnliche Formulierung. Der Ausdruck werbe in verkaufsfördernder und anpreisender Weise.
Die Inhaberin der Unionsmarke führt an, dass die Wortfolge zwar ein gewisses Wortspiel mit einer Anspielung auf die beanspruchten Waren verkörpere. Dieser Bezug werde in der angegriffenen Unionsmarke jedoch nicht durch eine gebräuchliche unmittelbar verständliche und beschreibende Bezeichnung hergestellt. Vielmehr ergebe sich dieser erst durch eine Reihe gedanklicher Zwischenschritte und lasse unterschiedlichste Interpretationsmöglichkeiten der angegriffenen Unionsmarke zu. Der Antragsteller habe nicht dargelegt, welches Merkmal der beanspruchten Waren die Bezeichnung konkret beschreiben solle. Die Originalität der Marke ergebe sich vorliegend aus dem Widerspruch, bzw. der grundsätzlichen Unvereinbarkeit der wörtlichen Bedeutungen der einzelnen Markenbestandteile. Anders als die durch den Antragsteller herangezogenen Beispiele „Coffee to go“ oder „Taxi2Go“ handele es sich bei „Ohren“ gerade nicht um Produkte. Es handele ich allenfalls um eine kreative und geistreiche Anspielung, die erst über mehrere Gedankenschritte einen Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen aufweise.
Die Unionsmarke verfüge auch über das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft. Ein Werbeslogan verkörpere danach regelmäßig mehr als eine bloße Werbebotschaft, wenn er
In Bezug auf die angegriffene Unionsmarke träfen alle diese Kriterien zu.
Der Antragsteller erwidert, dass die Zusammenschreibung der Wörter in der grammatikalisch richtigen Reihenfolge im (Gesamt-)Zeichen „EARS2GO“ keinen Eindruck hervorrufe, der den Sinn oder die Bedeutung dieser Wörter verändern könnte.
Akustische Verstärker für hörgeschädigte Personen, elektrische Hörhilfen und Hörgeräte dienten dem Gehör und würden typischerweise im Ohr verwendet. Entsprechendes gelte auch für die zugehörigen Dienstleistungen der Klasse 35, da auch diese durch die ausdrückliche Spezifizierung auf solche akustischen Verstärker für hörgeschädigten Personen, elektrische Hörhilfen und Hörgeräte ausgerichtet seien. Somit erschöpfe sich die Bedeutung des Zeichens darin, dass es sich hierbei um Produkte zum Mitnehmen handele, die dem Gehör dienten und im Ohr verwendet würden. Diese beschreibende Bedeutung werde auf der Webseite der Markeninhaberin besonders hervorgehoben. Dort werde u.a. erläutert, dass der Erwerb der von ihr angebotenen Hörverstärker im Vergleich zu Hörgeräten viel einfacher sei, da in diesem Fall kein Besuch einer HNO-Arztpraxis, kein Antrag bei der Krankenversicherung oder diverse „Anpasssitzungen“ zur Einstellung der Hörgeräte erforderlich seien. Vielmehr seien ihre Produkte in Geschäften oder im Online-Shop frei verkäuflich, da es sich hierbei nicht um Medizinprodukte handele. Daher seien ihre Produkte nach dem Erwerb sofort nutzbar. Hierzu reicht sie einen Screenshot vom 28/04/2020 ein. Dieser unkomplizierte, schnelle und freie Erwerb und die einfache Bedienung seien typische Merkmale von Produkten, die „2go“-angeboten würden. Damit bestätige die Markeninhaberin, dass es sich hierbei um das wesentliche Merkmal der von ihr angebotenen Hörverstärker handele.
Entgegen der Behauptung der Markeninhaberin ergebe sich auch keine Originalität oder Interpretationsbedürftigkeit des Zeichens „EARS2GO“ aus einem angeblichen Widerspruch oder einer Unvereinbarkeit der wörtlichen Bedeutungen der einzelnen Markenbestandteile. Dabei spiele auch keine Rolle, dass es sich bei „Ohren“ nicht um Produkte handele, die man erwerben oder in Anspruch nehmen könne. Der Zeichenbestandteil „EARS“ sei ein unmittelbarer Hinweis auf die Verwendung der Waren im Ohr zur Verbesserung des Gehörs. Die Kombination mit dem Begriff „2GO“ verdeutliche, dass es sich hierbei um Waren handele, die sofort mitgenommen werden könnten und einsatzbereit seien. Der Antragsteller verweist auf diverse Entscheidungen der Beschwerdekammer („BEAUTY2GO“, „bio2go“ und „MOTOR2GO“).
Die Inhaberin erwidert, dass auch der weitere Vortrag des Antragstellers nicht geeignet sei, das Vorliegen eines absoluten Schutzhindernisses zu belegen. Der Antragsteller gehe davon aus, dass die Kombination der Bestandteile durch die angesprochenen Verkehrskreise im Sinne eines Slogans „Ohren zum Mitnehmen“ verstanden würden. Sie greife zur Begründung des angeblich beschreibenden Charakters der angegriffenen Marke weiterhin allein auf eine zergliedernde Analyse der einzelnen Bestandteile zurück. Die Inhaberin wiederholt ihre schon vorgetragenen Argumente.
ABSOLUTE NICHTIGKEITSGRÜNDE – ARTIKEL 59 ABSATZ 1 BUCHSTABE a IN VERBINDUNG MIT ARTIKEL 7 UMV
Gemäß Artikel 59 Absatz 1 Buchstabe a und Absatz 3 UMV wird eine Unionsmarke auf Antrag beim Amt für nichtig erklärt, wenn sie entgegen den Bestimmungen von Artikel 7 UMV eingetragen worden ist. Liegt ein Nichtigkeitsgrund nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen vor, für welche die Unionsmarke eingetragen ist, so kann sie nur für diese Waren oder Dienstleistungen für nichtig erklärt werden
Ferner folgt aus Artikel 7 Absatz 2 UMV, dass Artikel 7 Absatz 1 UMV auch dann Anwendung findet, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der EU vorliegen.
Bezüglich der Beurteilung der absoluten Eintragungshindernisse gemäß Artikel 7 UMV, die bereits vor Eintragung der Unionsmarke von Amts wegen geprüft worden sind, führt die Löschungsabteilung grundsätzlich keine eigene Recherchen durch, sondern beschränkt sich auf eine Analyse der Tatsachen und Argumente, die von den Parteien des Nichtigkeitsverfahrens vorgebracht werden.
Die Beschränkung auf eine Prüfung der ausdrücklich vorgebrachten Tatsachen schließt jedoch nicht aus, dass die Löschungsabteilung ihrer Beurteilung darüber hinaus allgemein bekannte Tatsachen zugrunde legt, d. h. Tatsachen, die jedermann bekannt sein dürften oder aus allgemein zugänglichen Quellen stammen.
Diese Tatsachen und Argumente müssen zwar aus dem Zeitraum stammen, in dem die Unionsmarke angemeldet wurde. Tatsachen aus einem darauf folgenden Zeitraum können jedoch ebenfalls herangezogen werden um die Situation zum Zeitpunkt der Anmeldung zu bewerten (23/04/2010, C-332/09 P, Flugbörse, EU:C:2010:225, § 41 und 43).
Nach ständiger Rechtsprechung ist jedes der in Artikel 7 Absatz 1 UMV genannten Eintragungshindernisse unabhängig von den anderen und muss getrennt geprüft werden. Außerdem sind diese Eintragungshindernisse im Licht des Allgemeininteresses auszulegen, das jedem von ihnen zugrunde liegt. Das bei der Prüfung zu berücksichtigende Allgemeininteresse muss je nach dem betreffenden Eintragungshindernis zum Ausdruck kommen (16/09/2004, C‑329/02 P, SAT.2, EU:C:2004:532, § 25).
FEHLENDE UNTERSCHEIDUNGSKRAFT – ARTIKEL 7 ABSATZ 1 BUCHSTABE b UMV
Nach der Rechtsprechung gelten die durch Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b UMV „erfassten Zeichen als ungeeignet, die wesentliche Funktion der Marke zu erfüllen, auf die Herkunft der Ware oder Dienstleistung hinzuweisen, damit der Verbraucher, der [sie] erwirbt oder in Anspruch nimmt, bei einem späteren Erwerb oder einer späteren Inanspruchnahme, wenn die Erfahrung positiv war, die gleiche Wahl oder, wenn sie negativ war, eine andere Wahl treffen kann“ (27/02/2002, T‑79/00, Lite, EU:T:2002:42, § 26).
Die Unterscheidungskraft einer Marke ist erstens „im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen“ und zweitens „nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise, die aus den Verbrauchern dieser Waren oder Dienstleistungen bestehen, zu beurteilen“ (27/11/2003, T‑348/02, Quick, EU:T:2003:318, § 29).
Gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b UMV sind Unionsmarken, die keine Unterscheidungskraft haben, d.h. Marken die nicht geeignet sind, die konkret angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, von der Eintragung zurückzuweisen (15/09/2005, C-37/03 P, BioID, EU:C:2005:547, § 60).
Das Fehlen der Unterscheidungskraft kann bereits festgestellt werden, wenn der semantische Gehalt der fraglichen Wortmarke den Verbraucher auf ein Merkmal der Ware oder der Dienstleistung hinweist, das deren Verkehrswert betrifft und, ohne präzise zu sein, eine verkaufsfördernde Information oder eine Werbebotschaft enthält, die von den maßgeblichen Verkehrskreisen in erster Linie als eine solche und nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware oder der Dienstleistung wahrgenommen werden wird (17/01/2013, T-582/11 & T-583/11, Premium XL / Premium L, EU:T:2013:24, § 15).
Die Unionsmarke ist im Hinblick auf die von ihr erfassten Waren und Dienstleistungen der Klassen 10 und 35 angegriffen worden. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Hörgeräte, Hörhilfen sowie die Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf diese Waren. Diese Waren und Dienstleistungen richten sich sowohl an ein allgemeines Publikum als auch an Gewerbetreibende.
Die Unionsmarke besteht aus der Zusammensetzung „EARS2GO‘, die englische Wortelemente beinhaltet. Somit ist vorliegend auf das Sprachverständnis der englischsprachigen Verkehrskreise der Union abzustellen.
Der englische Begriff „ears“ ist die Pluralform von „ear“ und bedeutet „Ohren“ (LEO Online-Wörterbuch, https://dict.leo.org/german-english/ear, abgerufen am 25/01/2021).
Der Ausdruck „2go“ ist die abgekürzte Form von „to go“ (10/10/2018, T-561/17, bags2GO, EU:T:2018:670, § 29). „To go“ bedeutet „zum Mitnehmen, für unterwegs“ (LEO Online-Wörterbuch, https://dict.leo.org/german-english/to%20go, abgerufen am 25/01/2021).
Das Ohr ist ein Gehörorgan, das dem Hören dient. Das Wort „Ohr“ kommt in verschiedenen Redewendungen und Sprichwörtern vor und steht mit Hören in einem engen Zusammenhang, wie beispielsweise ganz Ohr sein (umgangssprachlich: sehr aufmerksam, gespannt zuhören); Ohren wie ein Luchs haben (sehr scharf hören); lange Ohren machen (umgangssprachlich: neugierig lauschen); die Ohren auftun/aufmachen/aufsperren/auf Empfang stellen (umgangssprachlich scherzhaft: genau zuhören); seinen Ohren nicht trauen (umgangssprachlich: über etwas, was man hört, völlig überrascht sein) (DUDEN Online-Wörterbuch, https://www.duden.de/rechtschreibung/Ohr, abgerufen am 25/01/2021).
Auch im Englischen werden ebenso Redewendungen und Ausdrücke im Zusammenhang mit Hören benutzt: „all ears“ (= listening very attentively, sehr aufmerksam zuhören); „lend an ear“ (= listening carefully and sympathetically, aufmerksam und mitfühlend zuhören) oder „turn a deaf ear“ (= refuse to listen, sich weigern zuzuhören).
Die Gesamtbezeichnung weist somit bezüglich der gegenständlichen Waren und Dienstleistungen auf akustische Geräte bzw. Hörgeräte hin, die mitgenommen werden können.
Die Eintragung einer Marke, die aus Zeichen oder Angaben besteht, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der Waren oder Dienstleistungen, auf die sich diese Marke bezieht, verwendet werden, ist nicht schon wegen einer solchen Verwendung ausgeschlossen. Hinsichtlich der Beurteilung der Unterscheidungskraft solcher Marken hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass an diese keine strengeren Maßstäbe anzulegen sind als an sonstige Zeichen. Aus der Rechtsprechung geht jedoch hervor, dass die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zwar für alle Markenkategorien dieselben sind, dass sich aber im Zusammenhang mit der Anwendung dieser Kriterien zeigen kann, dass nicht jede dieser Kategorien von den maßgeblichen Verkehrskreisen notwendigerweise in gleicher Weise wahrgenommen wird, und dass es daher schwieriger sein kann, die Unterscheidungskraft der Marken bestimmter Kategorien nachzuweisen (21/01/2010, C-398/08 P, Vorsprung durch Technik, EU:C:2010:29, § 35-37).
Es ist weiter festzustellen, dass alle Marken, die aus Zeichen oder Angaben bestehen, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der mit diesen Marken bezeichneten Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, naturgemäß in mehr oder weniger großem Umfang eine Sachaussage enthalten (21/01/2010, C‑398/08 P, Vorsprung durch Technik, EU:C:2010:29, § 56).
Zwar ist es, wie zuvor dargestellt, nach der Rechtsprechung nicht ausgeschlossen, dass die relevanten Verkehrskreise eine Marke gleichzeitig oder in erster Linie als Werbeslogan auffassen und sie dennoch als unterscheidungskräftige Angabe erkennen. Auch wenn die Marke „EARS2GO“ als ein Begriff erscheint, werden die einzelne Wortbestandteile „EARS“ und „2go“ (=to go) im Zeichen erkannt und verstanden. Es ist davon auszugehen, dass die Verkehrskreise den Begriff bezüglich der Hörgeräte und deren Einzelhandelsdienstleistungen ohne weiteres erkennen. In diesem Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Marke gerade keine Besonderheit aufweist, die von den relevanten Verkehrskreisen in irgendeiner Weise als phantasievoll, überraschend, unerwartet und damit merkfähig wahrgenommen wird.
Inhaltlich beschränkt sich das Zeichen auf den anpreisenden Hinweis, dass es sich bei den Waren um Hörhilfen und Hörgeräte zum Mitnehmen sowie um Dienstleistungen handelt, die in einem Zusammenhang mit diesen Produkten stehen. Verbraucher, die dem Ausdruck „EARS2GO“ für die gegenständlichen Waren und Dienstleistungen begegnen, finden damit in dem Zeichen lediglich die banale Anpreisung eines solchen Umstandes.
Das Zeichen erfordert kein „Mindestmaß an Interpretationsaufwand“ und löst bei den angesprochenen Verkehrskreisen auch keinen Denkprozess aus. Die Marke wird schlichtweg als Sachhinweis verstanden, dass die damit gekennzeichneten und darunter angebotenen Waren und Dienstleistungen das menschliche Hören bzw. Gehörorgane betreffen und sofort mitgenommen werden können. Das Zeichen wird vom relevanten Verbraucher daher ausschließlich als Sachhinweis wahrgenommen, nicht jedoch als ein Hinweis auf einen bestimmten betrieblichen Ursprung.
Es ist vor diesem Hintergrund ersichtlich, dass das Zeichen „EARS2GO“ als anpreisender Ausdruck im Zusammenhang mit der Vermittlung von Information über Merkmale der angegriffenen Waren und Dienstleistungen, nämlich ihre Art bzw. ihren Gegenstand, d.h. Hörhilfen zum Mitnehmen, verwendet werden kann. Der relevante Verkehr wird den Ausdruck als Hinweis erkennen, der dazu dient, anpreisende Informationen über das Wesen dieser Waren und Dienste zu vermitteln. Das Zeichen ist somit nicht geeignet, diese Waren und Dienstleistungen der Inhaberin von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Dies traf auch bereits zum Anmeldezeitpunkt zu, zumal keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich das Sprachverständnis in dieser Hinsicht seither gewandelt hat.
Im Ergebnis handelt es sich bei dem Zeichen im Kontext der angegriffenen Waren und Dienstleistungen nicht um ein von Hause aus unterscheidungskräftiges Zeichen im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe b UMV.
Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Unionsmarke entgegen den Vorschriften des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe b UMV eingetragen wurde.
BESCHREIBENDER CHARAKTER – ARTIKEL 7 ABSATZ 1 BUCHSTABE c UMV
Nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c UMV sind von der Eintragung ausgeschlossen „Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können“.
„Mit dem Ausschluss solcher Zeichen oder Angaben von der Eintragung als [Unionsmarken] verfolgt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c [UMV] das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die die Waren oder Dienstleistungen beschreiben, für die die Eintragung beantragt wird, von jedermann frei verwendet werden können. Die Bestimmung erlaubt es daher nicht, dass solche Zeichen oder Angaben durch ihre Eintragung als Marke einem einzigen Unternehmen vorbehalten werden“ (23/10/2003, C‑191/01 P, Doublemint, EU:C:2003:579, § 31).
Unter Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c UMV fallen nach ständiger Rechtsprechung „solche Zeichen und Angaben, die im normalen Sprachgebrauch nach dem Verständnis des angesprochenen Publikums die angemeldete Ware oder Dienstleistung entweder unmittelbar oder durch Hinweis auf eines ihrer wesentlichen Merkmale bezeichnen können“ (22/06/2005, T‑19/04, Paperlab, EU:T:2005:247, § 24).
Nach der Rechtsprechung fällt ein Zeichen unter das in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c UMV aufgestellte Verbot, „wenn es zu den fraglichen Waren oder Dienstleistungen einen hinreichend direkten und konkreten Bezug aufweist, der es dem betreffenden Publikum ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale zu erkennen“ (22/06/2005, T‑19/04, Paperlab, EU:T:2005:247, § 25). Die Anwendung von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c UMV „setzt nicht voraus, dass die Zeichen und Angaben, aus denen die […] Marke besteht, zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits tatsächlich […] beschreibend verwendet werden. Es genügt, […] dass die Zeichen oder Angaben zu diesem Zweck verwendet werden können.“ Ein Zeichen muss „daher nach dieser Bestimmung von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet.“ Es genügt, dass zumindest eine der möglichen Bedeutungen eines Wortzeichens „ein Merkmal der in Frage stehenden Waren […] bezeichnet“ (23/10/2003, C‑191/01 P, Doublemint, EU:C:2003:579, § 32).
Das Vorliegen der oben erwähnten Beziehung ist erstens „im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen“ und zweitens „nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise, die aus den Verbrauchern dieser Waren oder Dienstleistungen bestehen, zu beurteilen“ (27/11/2003, T‑348/02, Quick, EU:T:2003:318, § 29).
Unter Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c UMV fallen damit solche Zeichen und Angaben, die im normalen Sprachgebrauch aus Sicht der Verbraucher die Waren oder Dienstleistungen, die eingetragen werden sollen, entweder unmittelbar oder durch Hinweis auf eines ihrer wesentlichen Merkmale bezeichnen können (26/11/2003, T-222/02, Robotunits, EU:T:2003:315, § 34).
Bei den Waren der Klasse 10 handelt es sich eindeutig um Hilfsgeräte, die dem Hören dienen. Bei den Dienstleistungen der Klasse 35 handelt es sich eindeutig um Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Hörhilfen und Hörgeräte. In diesem Zusammenhang wird der Verbraucher ohne weiteres Nachdenken den Ausdruck „2go“ mit „zum Mitnehmen, für unterwegs“ gleichsetzen. Des Weiteren verweist der Begriff „EARS“ (=Ohren) eindeutig auf Hören, Gehörorgane. Wenn der Verbraucher dem Zeichen im Zusammenhang mit den angegriffenen Waren und Dienstleistungen begegnet, wird er sofort und ohne weiteres Nachdenken verstehen, dass es sich um (medizinische) Geräte bzw. künstliche Gehörorgane handelt, die hörgeschädigten sowie schwerhörigen Personen beim Hören helfen und einfach mitzunehmen bzw. leicht zu benutzen sind. Die angegriffenen Dienstleistungen in Klasse 35 umfassen Einzelhandelsdienstleistungen im Zusammenhang mit Hörhilfen und Hörgeräten.
Das Zeichen „EARS2GO“ in seiner Gesamtheit macht den Verbrauchern deutlich, dass die angegriffenen Waren bzw. die Waren, die Gegenstand der angegriffenen Einzelhandelsdienstleistungen sind, dem Hören dienen und einfach mitzunehmen sind.
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich auch, dass das Zeichen „EARS2GO“ aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise für die von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen direkte Informationen zur Art der Waren und zum Gegenstand der Dienstleistungen vermittelt und somit beschreibend im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe c UMV ist. Bei einer Beurteilung des Gesamtzeichens „EARS2GO“ ist festzustellen, dass die Verknüpfung der beiden Elemente „EARS“ und „2GO“, aus denen sie besteht, den Regeln der englischen Grammatik entspricht. Folglich stellt die in Rede stehende Marke keine ungewöhnliche und phantasievolle Wortkombination dar (15/12/2011, T-377/09, Passionately Swiss, EU:T:2011:753, § 37). Selbst wenn bestimmte Verbraucher der Unionsmarke eine phantasievolle Bedeutung zuschreiben würden, ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass eine Marke mehrere Bedeutungen haben kann, der Anwendung des in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c UMV vorgesehenen absoluten Eintragungshindernisses nicht entgegensteht. Nach der Rechtsprechung kann ein Wortzeichen nämlich von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (23/10/2003, C-191/01 P, Doublemint, EU:C:2003:579, § 32). Damit kann das Zeichen „EARS2GO“ von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Hinweis auf den Verwendungszweck und die Art der angegriffenen Waren und Dienstleistungen verstanden werden.
Schließlich fehlt dem Zeichen jegliche grafische Ausgestaltung, die den rein beschreibenden Charakter des Zeichens aus dem Weg räumen könnte.
Für die angegriffenen Waren und Dienstleistungen ist die Marke daher aus der Sicht der englischsprachigen Verkehrskreise für alle Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschreibend, und zwar in Bezug auf deren Art bzw. Gegenstand.
Dem Antrag ist damit auch nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c UMV stattzugeben.
Die angefochtene Marke war im Hinblick auf sämtliche angefochtenen Waren und Dienstleistungen zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung beschreibend im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c UMV und nicht unterscheidungskräftig im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b UMV.
Angesichts obiger Ausführungen wird dem Antrag vollständig stattgegeben, und die angefochtene Marke ist für sämtliche angefochtenen Waren und Dienstleistungen für nichtig zu erklären.
KOSTEN
Gemäß Artikel 109 Absatz 1 UMV trägt die unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.
Da die Inhaberin der Unionsmarke die unterliegende Partei ist, trägt sie die Löschungsgebühr sowie die dem Antragsteller in diesem Verfahren entstandenen Kosten.
Gemäß Artikel 109 Absätze 1 und 7 sowie Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer ii UMDV sind die an den Antragsteller zu zahlenden Kosten die Löschungsgebühr und die Vertretungskosten, die auf Grundlage der dort festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind.
Die Löschungsabteilung
Martin LENZ
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Judit NÉMETH |
Elena NICOLÁS GÓMEZ
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Gemäß Artikel 67 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 68 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.