WIDERSPRUCHSABTEILUNG



WIDERSPRUCH Nr. B 3 101 730

 

Matthias Strauss, Kroonstücken 1, 22045 Hamburg, Deutschland (Widersprechende), vertreten durch Jochen Jüngst, Schimmelmannstraße 64, 22043 Hamburg, Deutschland (zugelassener Vertreter)

 

g e g e n

 

Leopoldo Schneider, Burchard-Eden-Str. 3, 28213 Bremen, Deutschland (Anmelder), vertreten durch Stephan Schenk, Buchstr. 13, 28195 Bremen, Deutschland (zugelassener Vertreter).

Am 16.02.2021, trifft die Widerspruchsabteilung die folgende
 

  

ENTSCHEIDUNG:



 

  1.

Der Widerspruch Nr. B 3 101 730 wird in seiner Gesamtheit zurückgewiesen.

 

  2.

Die Widersprechende trägt die Kosten, die auf 300 EUR festgesetzt werden.

 

 

BEGRÜNDUNG:

 

Die Widersprechende legte Widerspruch gegen alle Dienstleistungen der Unionsmarkenanmeldung Nr. 18 097 100 (Bildmarke ) ein, und zwar gegen alle Dienstleistungen der Klasse 45. Der Widerspruch beruht auf der deutschen Markeneintragung Nr. 302 013 016 922 (Bildmarke ). Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b UMV. 



VERWECHSLUNGSGEFAHR – ARTIKEL 8 ABSATZ 1 BUCHSTABE b UMV

 

Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante Publikum.


 

a) Die Dienstleistungen

 

Der Widerspruch basiert u.a. auf den folgenden Dienstleistungen:

 

Klasse 45: Persönliche und soziale Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse; Partnervermittlung; Vermittlung von Bekanntschaften (Treffen zwischen unbekannten Personen für den Freizeitbereich); Lizenzvergabe an geistigem Eigentum oder gewerblichen Schutzrechten.

Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Dienstleistungen:

 

Klasse 45: Astrologische und spirituelle Dienstleistungen; Partner- und Bekanntschaftsvermittlungsdienste; Computergestützte Persönlichkeitsberatung; Ehevermittlung; Internetbasierte Dienstleistungen für die Vermittlung von Bekanntschaften, Partnervermittlung sowie zur ersten persönlichen Kontaktaufnahme; Internetbasierte Partnervermittlungsdienstleistungen; Partnerschaftsvermittlung; Vermittlung von Bekanntschaften via Internet.

Die angefochtenen Dienstleistungen Astrologische und spirituelle Dienstleistungen; Computergestützte Persönlichkeitsberatung sind in der weiter gefassten Kategorie der Dienstleistungen Persönliche und soziale Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse enthalten und somit identisch.

Die angefochtenen Dienstleistungen Partner- und Bekanntschaftsvermittlungsdienste; Ehevermittlung; Partnervermittlung sowie zur ersten persönlichen Kontaktaufnahme; Internetbasierte Partnervermittlungsdienstleistungen; Partnerschaftsvermittlung sind enthalten in oder überschneiden sich mit den Dienstleistungen Partnervermittlung der Widersprechenden und sind somit identisch.

Die angefochtenen Dienstleistungen Internetbasierte Dienstleistungen für die Vermittlung von Bekanntschaften, Vermittlung von Bekanntschaften via Internet überschneiden sich mit den Dienstleistungen Vermittlung von Bekanntschaften (Treffen zwischen unbekannten Personen für den Freizeitbereich) der Widersprechenden und sind somit identisch.


b) Relevantes Publikum –  Aufmerksamkeitsgrad

 

Der Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart gilt als durchschnittlich gut informiert, aufmerksam und verständig. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers je nach der betreffenden Art von Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann.

 

Im vorliegenden Fall wenden sich die für identisch befundenen Dienstleistungen an das breite Publikum. 

 

Der Aufmerksamkeitsgrad gilt als durchschnittlich.

 


c) Die Zeichen

 








Ältere Marke


Angefochtene Marke

 

 

Das relevante Gebiet ist Deutschland.

 

Bei dieser umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind“ (11/11/1997, C-251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 23).

 

Treffpunkt (in der angefochtenen Marke) bzw. der Plural davon, und zwar Treffpunkte (ältere Marke) bezeichnet im Deutschen und im Hinblick auf die relevanten Dienstleistungen  „a) Ort, an dem man sich (einer Abmachung, Vereinbarung folgend) trifft: die Kneipe galt als Treffpunkt der Unterwelt; einen Treffpunkt vereinbaren; sie kam nicht zu dem Treffpunkt, den sie ausgemacht hatten; b) Ort, der zu einer Art Zentrum geworden ist: Paris, Treffpunkt der Mode“ (siehe DUDEN). In Verbindung mit den relevanten Dienstleistungen, die allesamt einen (Online-)Treffpunkt oder auch realen Treffpunkt darstellen, wo sich Menschen treffen können, um einen Partner zu finden oder auch nur eine flüchtige Bekanntschaft für eine Nacht oder sogar noch kürzer, gilt, dass diese Elemente nicht kennzeichnungskräftig sind.


Das Endelement „.de“ des älteren Zeichens wird als Top Level Domain für Deutschland verstanden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die entsprechenden Dienstleistungen jeweils über das Internet aus Deutschland angeboten werden könnten, ist dieses Element nicht kennzeichnungskräftig für diese Dienstleistungen.


Die ältere Marke beinhaltet des Weiteren einen rechteckigen Hintergrund, der als banal und nicht kennzeichnungskräftig gilt; zudem beinhaltet das Zeichen auch die laszive Darstellung eines Frauenkörpers in Reizwäsche und in frivoler Position; diese stark sexualisierte Darstellung gilt im Hinblick auf die relevanten Dienstleistungen, die u.a. die Vermittlung von Bekanntschaften zu Freizeitaktivitäten aller Art, darunter auch rein körperliche, beinhalten, als äußerst kennzeichnungsschwach da sie offensichtlich auf deren Art und/oder das vom Kunden gewünschte Ergebnis anspielt.


Das Bildelement der angefochtenen Marke ist eine sehr stilisierte Darstellung von zwei ineinander verwobenen Herzen und gilt als gering kennzeichnungskräftig. Nicht kennzeichnungskräftig ist die Verwendung der Farben in der angefochtenen wie auch in der älteren Marke.


Die Zeichen weisen keine Elemente auf, die als dominanter (stärker ins Auge springend) als andere Elemente gelten könnten. 

 

Bildlich stimmen die Zeichen in Bezug auf „treffpunkt“ (in der älteren Marke in Klein- und in der angefochtenen Marke in Großbuchstaben) überein, sie unterscheiden sich in dem Buchstaben „*e“ sowie der Top Level Domain „.de“ am Zeichenende der älteren Marke und in den oben ausführlich beschriebenen Bildelementen. Aufgrund der fehlenden Kennzeichnungskraft der Wortelemente Treffpunkt/Treffpunkte, gilt, dass die Zeichen kaum ähnlich sind.

 

In klanglicher Hinsicht stimmt zwar die Aussprache hinsichtlich „Treffpunkt“ in beiden Zeichen überein, dieses Element gilt aber auch als nicht kennzeichnungskräftig, sodass die die Zeichen kaum ähnlich sind.

 

 

 

Begrifflich wird auf die zuvor getroffenen Erwägungen bezüglich des semantischen, von den Marken vermittelten Inhalts verwiesen.  Da beide Zeichen auf einen Treffpunkt hinweisen, auch wenn dieses Konzept im Hinblick auf die relevanten Dienstleistungen nicht kennzeichnungskräftig ist, gilt, dass die Zeichen begrifflich geringfügig ähnlich sind.

 

Da beim Vergleich der Zeichen zumindest ein ähnlicher Aspekt festgestellt wurde, wird die Prüfung der Verwechslungsgefahr fortgesetzt.


 

d) Kennzeichnungskraft der älteren Marke

 

Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist einer der Faktoren, die bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind.

 

Die Widersprechende machte nicht ausdrücklich geltend, dass ihre Marke aufgrund intensiver Benutzung oder Bekanntheit über eine besondere Kennzeichnungskraft verfügt.

 

Folglich stützt sich die Beurteilung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auf ihre Kennzeichnungskraft von Haus aus. In Anbetracht der Angaben im obigen Abschnitt c) dieser Entscheidung ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke für alle gegenständlichen Dienstleistungen als äußerst schwach anzusehen. 



e) Umfassende Beurteilung, andere Argumente und Schlussfolgerung 

 

Die Dienstleistungen sind identisch. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist äußerst schwach. Der Aufmerksamkeitsgrad der relevanten Verbraucher ist durchschnittlich. Die Zeichen sind bildlich, klanglich und begrifflich nur gering ähnlich.


Die ältere Marke ist zwar fast vollständig in der angefochtenen wiedergegeben und unterscheidet sich in der Verwendung der Groß- bzw. Kleinschreibung, der Verwendung des Plural-E und der deutschen Top Level Domain, eine Verwechslungsgefahr besteht dennoch nicht, denn die ältere Marke ist in Bezug auf die strittigen Dienstleistungen von äußerst beschränkter Kennzeichnungskraft. Die Verbraucher werden den Begriff Treffpunkt als Hinweis auf einen Versammlungsort (virtuell oder real) verstehen.


Zwar gilt, dass bei der Beschäftigung mit der Kennzeichnungskraft der älteren Marke in ihrer Gesamtheit letztere immer derart betrachtet werden muss, als habe sie ein Mindestmaß an originärer Kennzeichnungskraft. Ältere Marken, ob Unionsmarken oder nationale Marken, genießen eine „Gültigkeitsvermutung“. Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 24/05/2012, C-196/11, F1-Live, EU:C:2012:314, § 40-41, deutlich gemacht, dass „[...] die Gültigkeit nationaler Marken in einem Verfahren über einen Widerspruch gegen eine [Unionsmarkenanmeldung] nicht in Frage gestellt werden kann“. Der Gerichtshof fügte hinzu: „[...] ist festzustellen, dass die Bezeichnung eines Zeichens als beschreibend oder als Gattungsbegriff gleichbedeutend mit dem Verneinen seiner Unterscheidungskraft ist“.


Die ältere Marke verfügt angesichts dessen über einen extrem beschränkten Schutzumfang. Mithin sind extrem hohe Anforderungen an die Ähnlichkeit der Zeichen zu stellen, um eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr feststellen zu können, etwa wenn es sich um identische Wortmarken handelt oder sich die strittigen Marken lediglich im Hinblick auf die Stilisierung oder nicht kennzeichnungskräftige Bildelemente wie z.B. einfache geometrische Figuren, Linien, etc. unterscheiden. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die durch die unterschiedliche Gestaltung der Zeichen und die Verwendung von Groß- und Kleinschreibung führen zu einem ausreichenden Abstand zu der in ihrem Schutzumfang äußerst beschränkten älteren Marke. Mithin halten die Zeichen den erforderlichen Abstand selbst für identische Dienstleistungen ein.


Die Widersprechende versucht offensichtlich aus einem an sich nicht kennzeichnungskräftigen Bestandteil, nämlich dem Wort „Treffpunkte“, Wettbewerber, die diesen Bestandteil ebenfalls verwenden wollen, vom Markt zu verdrängen. Eine erhöhte Kennzeichnungskraft ihrer Marke hat sie zudem weder geltend gemacht noch nachgewiesen. Es ist jedoch nicht Sinn und Zweck unionsmarkenrechtlicher Regelungen und Bestimmungen, ein an sich nicht eintragungsfähiges Wort figurativ so minimal zu gestalten, dass keine absoluten Eintragungshindernisse bestehen, um daraufhin –nach Eintragung- sämtliche anderen Anbieter, die ebenfalls dieses Wort in Bildmarken benutzen wollen, vom relevanten Markt auszuschließen.

 

Unter Berücksichtigung aller oben genannten Punkte, und selbst für identische Dienstleistungen, besteht seitens der Öffentlichkeit keine Verwechslungsgefahr. Daher muss der Widerspruch zurückgewiesen werden.

 

 

KOSTEN

 

Gemäß Artikel 109 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.

 

Da die Widersprechende die unterliegende Partei ist, trägt sie alle der Anmelderin in diesem Verfahren entstandenen Kosten.

 

Gemäß Artikel 109 Absatz 7 UMV und Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer i UMDV bestehen die der Anmelderin zu erstattenden Kosten aus den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind.

 

 

 

 

 

Die Widerspruchsabteilung

 

Konstantinos MITROU

Lars HELBERT

Tobias KLEE

 

 

Gemäß Artikel 67 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 68 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.


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