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HAUPTABTEILUNG KERNGESCHÄFT |
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L123 |
Zurückweisung der Anmeldung einer Unionsmarke
(Artikel 7 und 42 Absatz 2 UMV)
Alicante, 22/10/2020
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GRUND Intellectual Property Group Patentanwalt und Solicitor PartG mbB Nikolaistr. 15 D-80802 München ALEMANIA |
Anmeldenummer: |
018238710 |
Ihr Zeichen: |
258-016EU |
Marke: |
Tipsy |
Art der Marke: |
Wortmarke |
Anmelderin: |
Hope Tree Holding GmbH Ostergartenstraße 10 D-82538 Geretsried ALEMANIA |
Das Amt beanstandete am 02/06/2020 die Anmeldung unter Berufung auf den beschreibenden Charakter sowie auf fehlende Unterscheidungskraft gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b und c UMV und Artikel 7 Absatz 2 UMV. Die Beanstandung wird im beiliegenden Schreiben begründet.
Die Anmelderin nahm mit Schreiben vom 15/07/2020 hierzu Stellung und nahm eine Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses vor. Die Stellungnahme kann wie folgt zusammengefasst werden:
Das angemeldete Zeichen sei nicht beschreibend, nicht freihaltebedürftig und weise ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft auf.
Der Begriff „Tipsy“ sei in der polnischen Sprache lexikalisch nicht nachweisbar und sei nicht für Finger- und Fußnägel beschreibend.
Die Anmelderin beantragt hilfsweise, das bereits eingeschränkte Waren- und Dienstleistungsverzeichnis mit der Ausschlussklausel zu versehen: „keines der vorgenannten auf dem Gebiet der Nagelkosmetik“.
Die Anmelderin nahm am 21/10/2020 eine erneute Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses vor.
Entscheidung
Gemäß Artikel 94 UMV obliegt es dem Amt, eine mit Gründen zu versehende Entscheidung zu treffen, zu denen sich die Anmelderin äußern konnte.
Nach eingehender Prüfung der Argumente der Anmelderin und der Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses hat das Amt entschieden, die Beanstandung für die folgenden Waren zurückzuziehen:
Klasse 3 Kosmetika; Nicht medizinische Mittel für Körper- und Schönheitspflege; Kosmetika, als Set verkauft; das vorgenannte beinhaltend Make-up, Hautpflegelotionen, Gesichtscremes, Gesichtswasser, Sonnenöle, Sonnenschutzpräparate, Seifen, Duschgele, Schaumbäder, Deodorants, Parfüms.
Klasse 8 Handbetätigte Geräte zur Verwendung in der Schönheitspflege; das vorgenannte auf dem Gebiet der Hairstylinggeräte und Haarschneide- und Haarentfernungsgeräte.
Klasse 11 Trocknungsanlagen; Trockenapparate.
Die Beanstandung wird für die folgenden Dienstleistungen aufrechterhalten:
Klasse 44 Gesundheits- und Schönheitspflegedienste; das vorgenannte beinhaltend Beratungen auf dem Gebiet der Schönheitspflege, Dienstleistungen auf dem Gebiet der Hautpflege, Dienstleistungen eines Friseursalons, kosmetische Gesichtsbehandlungen, kosmetische Make-up Behandlungen.
Das Amt geht vorliegend nicht erneut auf bereits erörterte Argumente ein, sondern knüpft an diese an und geht in dieser Zurückweisung auf die Argumente der Anmelderin vom 15/01/2020 und das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis in der eingeschränkten Fassung vom 22/10/2020 ein.
Nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c UMV sind von der Eintragung ausgeschlossen „Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können.“ Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass jedes der in Artikel 7 Absatz 1 UMV genannten Eintragungshindernisse voneinander unabhängig ist und getrennt geprüft werden muss. Außerdem sind die genannten Eintragungshindernisse im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, das jedem von ihnen zugrunde liegt. Das zu berücksichtigende Allgemeininteresse muss je nach dem betreffenden Eintragungshindernis in unterschiedlichen Erwägungen zum Ausdruck kommen (16/09/2004, C‑329/02 P, SAT/2, EU:C:2004:532, Rdnr. 25).
Mit dem Ausschluss solcher Zeichen oder Angaben als Unionsmarke verfolgt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c UMV „das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen und Angaben, die Waren oder Dienstleistungen beschreiben, für die die Eintragung beantragt wird, von jedermann frei verwendet werden können. Diese Bestimmung erlaubt es daher nicht, dass solche Zeichen oder Angaben durch ihre Eintragung als Marke einem einzigen Unternehmen vorbehalten werden“ (23/10/2003, C‑191/01 P, Doublemint, EU:C:2003:579, Rdnr. 31).
„Unter Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c UMV fallen damit solche Zeichen und Angaben, die im normalen Sprachgebrauch aus Sicht der Verbraucher die Waren oder Dienstleistungen, die eingetragen werden sollen, entweder unmittelbar oder durch Hinweis auf eines ihrer wesentlichen Merkmale bezeichnen können“ (26/11/2003, T‑222/02, Robotunits, EU:T:2003:315, Rdnr. 34).
Zum Zwecke der Beurteilung des beschreibenden Charakters ist festzustellen, ob aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise ein hinreichend direkter und konkreter Zusammenhang zwischen dem Ausdruck und den Waren oder Dienstleistungen besteht, deren Eintragung beantragt wird (20/07/2004, T 311/02, Limo, EU:T:2004:245, Rdnr. 30).
Angesprochene Verkehrskreise
Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den zu beanstandenden Waren und Dienstleistungen, die von der angemeldeten Marke erfasst werden, sowohl um an die breite Masse gerichtete Waren und Dienstleistungen, die diese zu privaten Zwecken nutzt, als auch um Waren und Dienstleistungen, die sich an den begrenzteren Adressatenkreis der Fachkreise für Nagelpflege richten. Je nach Art der betreffenden Waren und Dienstleistungen wird der Grad der Aufmerksamkeit der maßgeblichen Verkehrskreise der von Durchschnittsverbrauchern sein, die durchschnittlich informiert, aufmerksam und verständig sind, oder er wird hoch sein, da Fachkreise Beschaffungen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit regelmäßig besondere Aufmerksamkeit entgegen zu bringen pflegen und die angemeldeten Waren und Dienstleistungen für das Funktionieren eines Unternehmens besonders wichtig sind.
Beschreibender Charakter
Die Marke besteht aus dem Begriff „Tipsy“, welcher von den maßgeblichen Verkehrskreisen verstanden wird als umgangssprachliche Bezeichnung von „Finger- beziehungsweise Fußnägel“ (Informationen abgerufen am 28/05/2020 unter https://context.reverso.net/%C3%BCbersetzung/polnisch-deutsch/tipsy). Da das Zeichen „Tipsy“ zudem aus einem polnischen Wort besteht, sind die maßgeblichen Verkehrskreise, in Bezug auf die das absolute Eintragungshindernis geprüft werden soll, polnischsprachige Verbraucher innerhalb der Union (22/06/1999, C-342/97, Lloyd Schuhfabrik, EU:C:1999:323, Rdnr. 26; und 27/11/2003, T-348/02, NIGHT, EU:T:2003:318, Rdnr. 30). Den polnischsprachigen Verkehrskreisen ist der Begriff „Tipsy“, wie bereits dargestellt, mithin in ihrer eigenen Sprache lexikalisch als Standardvokabular bekannt.
Die von der Anmelderin vorgebrachten Argumente vermögen das Amt nicht gänzlich zu überzeugen. Lediglich hinsichtlich der oben genannten von der Beanstandung zurückgezogenen Waren der Klassen 3, 8 und 11, ist der Anmelderin zuzustimmen, dass der Begriff „Tipsy“ für derartige Waren unterscheidungskräftig ist, da hier nicht davon auszugehen ist, das diese bei der Nagelpflege zum Einsatz kommen. Diesbezüglich besteht daher kein Freihaltebedürfnis.
Wie bereits in der oben genannten Mitteilung erläutert, werden die maßgeblichen Verkehrskreise das Zeichen als direkten Hinweis auf Art, Beschaffenheit beziehungsweise beabsichtigten Zweck der betreffenden Waren und Dienstleistungen wahrnehmen.
Der Begriff „Tipsy” macht den Verbrauchern jedoch weiterhin unmittelbar und ohne, dass sie darüber weiter nachdenken müssen deutlich, dass es sich bei den verbleibenden Dienstleistungen der Klasse 44 um Gesundheits- und Schönheitspflegedienstleistungen handelt, nämlich Beratungen auf dem Gebiet der Schönheitspflege, Dienstleistungen auf dem Gebiet der Hautpflege, Dienstleistungen eines Friseursalons, kosmetische Gesichtsbehandlungen, kosmetische Make-up Behandlungen, welche allesamt auch Finger- beziehungsweise Fußnägel zum Gegenstand haben können.
Im Übrigen ist ein Zeichen auch dann als beschreibend nicht eintragungsfähig, wenn es, wie vorliegend, eine mögliche Eigenschaft der Waren und Dienstleistungen beschreibt. Für eine Marke, deren Anmeldung nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c UMV zurückzuweisen ist, ist nicht vorauszusetzen, dass die Zeichen und Angaben, aus denen die in diesem Artikel genannte Marke besteht, zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits tatsächlich für die in der Anmeldung aufgeführten Waren oder Dienstleistungen oder für ihre Merkmale beschreibend verwendet werden. Es genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, dass die Zeichen oder Angaben zu diesem Zweck verwendet werden können. Ein Zeichen ist daher von der Eintragung auszuschließen, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet. (23/10/2003, C‑191/01 P, Doublemint, EU:C:2003:579, Rdnr. 32) Im Allgemeinen bleibt daher die bloße Kombination von Bestandteilen, von denen jeder Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibt, selbst für diese Merkmale beschreibend. (12/02/2004, C 363/99, Postkantoor, EU:C:2004:86, Rdnrn. 99-102).
Im Übrigen ist es Teil der Prüfung und Hintergrund der Regelung der absoluten Eintragungshindernisse des Artikels 7 Absatz 1 Buchstaben b bis e UMV zu vermeiden, dass ein einzelner Wirtschaftsteilnehmer einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil durch die Entstehung eines ausschließlichen Rechts an einem Zeichen, das allen frei zur Verfügung überlassen bleiben muss, erlangt. Im vorliegenden Fall muss der Begriff „Tipsy“ daher auch anderen Mitbewerbern freistehen.
Daher besteht der Ausdruck „Tipsy“ im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c UMV aus Zeichen oder Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, Beschaffenheit oder Bestimmung der angemeldeten Waren und Dienstleistungen dienen können.
Mangelnde Unterscheidungskraft
Da das Zeichen eine klare beschreibende Bedeutung hat, hat es keine Unterscheidungskraft und kann daher gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b UMV nicht eingetragen werden, da es nicht in der Lage ist, die Hauptfunktion einer Marke zu erfüllen, die darin besteht, die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denen seiner Wettbewerber zu unterscheiden.
Das Zeichen, für das Schutz beantragt wird, würde zudem in dem maßgeblichen Marktsegment lediglich als eine belobigende Aussage verstanden werden, deren Funktion darin besteht, eine Kundendienstaussage zu kommunizieren. Im vorliegenden Fall dürften darüber hinaus die maßgeblichen Verkehrskreise dazu neigen, in dem Zeichen keinen besonderen Hinweis auf die betriebliche Herkunft über die Werbebotschaft hinaus wahrnehmen, die allein dazu dient, positive Aspekte der betreffenden Waren und Dienstleistungen hervorzuheben.
Der Begriff „Tipsy” vermittelt den Verbrauchern unmittelbar und ohne, dass sie darüber weiter nachdenken müssen, dass in der Klasse 44 Gesundheits- und Schönheitspflegedienstleistungen angeboten werden, nämlich Beratungen auf dem Gebiet der Schönheitspflege, Dienstleistungen auf dem Gebiet der Hautpflege, Dienstleistungen eines Friseursalons, kosmetische Gesichtsbehandlungen, kosmetische Make-up Behandlungen, welche allesamt einen Schwerpunkt setzen auf Finger- beziehungsweise Fußnägel, beziehungsweise versprechen, auf diese abgestimmt zu sein.
Demzufolge besitzt die angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b UMV und Artikel 7 Absatz 2 UMV keine Unterscheidungskraft und ist nicht geeignet, die angemeldeten Waren und Dienstleistungen von anderen zu unterscheiden.
Hilfsweise Einschränkung des Warenverzeichnisses
Die Anmelderin beantragt hilfsweise, das bereits eingeschränkte Waren- und Dienstleistungsverzeichnis mit der Ausschlussklausel zu versehen: „keines der vorgenannten auf dem Gebiet der Nagelkosmetik“.
Grundsätzlich ist zu hilfsweisen Anträgen festzustellen, dass diese ausdrücklich und bedingungslos zu erklären sind, da die Anmelderin jederzeit gemäß Artikel 44 Absatz 1 UMV das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen einschränken darf (10/11/ 2004, T-396/02, Dreidimensionale Marke – Form eines Bonbons, EU:T:2004:329, Rdnr. 19). Eine hilfsweise, das heißt unter der prozessualen Bedingung, dass dem vollumfänglichen Begehren nicht entsprochen wird, erklärte Zurücknahme oder Einschränkung der Anmeldung ist somit nicht zulässig. Dem Antrag der Anmelderin wird daher nicht stattgeben.
Da inzwischen eine korrigierte und unbedingte Fassung des Antrags beim Amt eingegangen ist, ist die Frage der Zulässigkeit des hilfsweisen Antrags auf Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses gegenstandslos geworden.
Ergebnis
Aus den oben genannten Gründen und gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b und c UMV und Artikel 7 Absatz 2 UMV wird hiermit die Anmeldung für die Unionsmarke Nr. 18 238 710 für die folgenden Dienstleistungen zurückgewiesen:
Klasse 44 Gesundheits- und Schönheitspflegedienste; das vorgenannte beinhaltend Beratungen auf dem Gebiet der Schönheitspflege, Dienstleistungen auf dem Gebiet der Hautpflege, Dienstleistungen eines Friseursalons, kosmetische Gesichtsbehandlungen, kosmetische Make-up Behandlungen.
Die Anmeldung kann für die verbleibenden Waren fortgesetzt werden:
Klasse 3 Kosmetika; Nicht medizinische Mittel für Körper- und Schönheitspflege; Kosmetika, als Set verkauft; das vorgenannte beinhaltend Make-up, Hautpflegelotionen, Gesichtscremes, Gesichtswasser, Sonnenöle, Sonnenschutzpräparate, Seifen, Duschgele, Schaumbäder, Deodorants, Parfüms.
Klasse 8 Handbetätigte Geräte zur Verwendung in der Schönheitspflege; das vorgenannte auf dem Gebiet der Hairstylinggeräte und Haarschneide- und Haarentfernungsgeräte.
Klasse 11 Trocknungsanlagen; Trockenapparate.
Gemäß Artikel 67 UMV können Sie gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 68 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.
Frank MANTEY