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Widerspruchsabteilung |
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WIDERSPRUCH Nr. B 2 096 256
Lidl Stiftung & Co. KG, Stiftsbergstraße 1, 74172 Neckarsulm, Deutschland (Widersprechende), vertreten durch Brandstock Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Rückertstr. 1, 80336 München, Deutschland (zugelassener Vertreter)
g e g e n
HERO, AG, 5600 Lenzburg, Schweiz (Anmelderin), vertreten durch Raffay & Fleck Patentanwälte, Grosse Bleichen 8, 20354 Hamburg, Deutschland (zugelassener Vertreter).
Am 28/11/2019 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende
ENTSCHEIDUNG:
1. Der Widerspruch Nr. B 2 096 256 wird in seiner Gesamtheit zurückgewiesen.
2. Die Widersprechende trägt die Kosten, die auf 300 EUR festgesetzt werden.
BEGRÜNDUNG:
Die
Widersprechende legte Widerspruch gegen einige der Waren der
Unionsmarkenanmeldung Nr. 10
907 202 (Wortmarke: „HERO BABY YOGUFRUTA”) ein,
und zwar gegen einige der Waren der Klasse 5 und gegen alle Waren der
Klassen 29 und 32. Der
Widerspruch beruht auf der Unionsmarkeneintragung
Nr. 7 189 723
(Bildmarke:
„
“),
vgl. Schreiben der Widersprechenden vom 11/09/2015 zur Einschränkung
in Bezug auf den Umfang des Widerspruchs. Die
Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b)
UMV.
VERWECHSLUNGSGEFAHR – ARTIKEL 8 ABSATZ 1 BUCHSTABE b UMV
Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante Publikum.
Die Waren
Der Widerspruch basiert auf den folgenden Waren der Klasse 29:
Milch- und Molkereiprodukte, Joghurt, Quark; Desserts auf Joghurt-, Quark-, Sahne-, Milch- und/oder Fruchtbasis.
Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Waren der Klassen 5, 29 und 32:
Klasse 5: Diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; diätetische Zusätze für Menschen; Speisen und Getränke für Säuglinge; Babymilch; Milchpulver für Säuglinge; Nahrungsergänzungsmittel für Säuglinge; glutenfreie Babykost.
Klasse 29: Konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Snacks, Riegel und Desserts auf Gemüse- und Obstbasis; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Marmeladen und Kompotte; Fruchtaufstriche, Fruchtmuse, Püree; Milch und Milchprodukte; Fruchtprodukte, Fruchtfleisch und/oder Fruchtaromen enthaltende Milchprodukte; Joghurts und Desserts mit oder ohne Früchte.
Klasse 32: Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Limonaden; Nektare; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken.
Einige der angefochtenen Waren sind den Waren, auf denen der Widerspruch beruht, ähnlich oder mit diesen identisch. Aus Gründen der Verfahrensökonomie nimmt die Widerspruchsabteilung keinen vollständigen Vergleich der oben aufgeführten Waren vor. Die Prüfung des Widerspruchs erfolgt, als ob alle angefochtenen Waren zu denjenigen der älteren Marke identisch wären; dies stellt für die Widersprechende die bestmögliche Prüfung ihres Widerspruchs dar.
Relevantes Publikum – Aufmerksamkeitsgrad
Der Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart gilt als durchschnittlich gut informiert, aufmerksam und verständig. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach der betreffenden Art von Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann.
Im vorliegenden Fall wenden sich die für identisch angesehenen Waren sowohl an das breite Publikum als auch an medizinisches Fachpersonal mit besonderen beruflichen Kenntnissen oder besonderem beruflichem Fachwissen. Der Aufmerksamkeitsgrad der angesprochenen Verkehrskreise für die angefochtenen Waren der Klassen 29 und 32 ist durchschnittlich bis gering, weil es sich um preisgünstige Waren des täglichen Bedarfs handelt. Was die Waren der Klasse 5 anbetrifft, gilt Folgendes:
Aus der Rechtsprechung geht hervor, dass der Aufmerksamkeitsgrad des maßgeblichen Publikums in Bezug auf pharmazeutische Erzeugnisse, unabhängig davon, ob diese verschreibungspflichtig sind oder nicht, relativ hoch ist (15/12/2010, T 331/09, Tolposan, EU:T:2010:520, § 26; 15/03/2012, T 288/08, Zydus, EU:T:2012:124, § 36). Insbesondere medizinisches Fachpersonal bringt bei der Verschreibung von Arzneimitteln einen hohen Grad an Aufmerksamkeit auf. Auch ein nicht spezialisiertes Publikum zeigt, unabhängig davon, ob die Arzneimittel verschreibungspflichtig sind oder nicht, einen höheren Aufmerksamkeitsgrad, da sich diese Erzeugnisse auf seine Gesundheit auswirken. Das gilt entsprechend beim Kauf von Babynahrung, bei der genau auf Inhaltsstoffe und Zusammensetzung geachtet wird.
Die
Zeichen
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HERO BABY YOGUFRUTA |
Ältere Marke |
Angefochtene Marke |
Das relevante Gebiet ist die Europäische Union.
„Bei dieser umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, […] wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind“ (11/11/1997, C 251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 23).
Die angefochtene Marke ist eine in allen Schreibweisen geschützte Wortmarke.
Die in den Farben hellrot, rot, dunkelrot, gelb, orange und weiß gehaltene ältere Bildmarke beinhaltet ein mit einer Längsachse schräg ausgerichtetes Oval mit einer zusätzlichen zweiten Abrundung an der oberen rechten Seite und zwei stilisierten Früchten unterhalb leicht rechts an der Marke. In dem Oval ist das Wort „Yofrutta“ in einer bestimmten Schriftart enthalten, wobei der erste Buchstabe „Y“ teilweise außerhalb des Ovals steht und größer geschrieben ist.
Der Bestandteil „Yo“ der älteren Marke wird vom spanisch-sprachigen Publikum mit der Bedeutung „ich“ verstanden. Es ist als übliches Personalpronomen kennzeichnungsschwach. Für die übrigen Verbraucher ist er normal kennzeichnungskräftig, zumal es sich nicht um eine übliche Abkürzung für „Joghurt“ handelt.
Entsprechend den Ausführungen der Beschwerdekammer in der sehr vergleichbaren Entscheidung R 2354/2018-4, „Hero Baby yogufruta/Yofrutta“, 04/09/2019, für die identische ältere Marke und die übereinstimmenden Wortbestandteile (mit grafischer Ausgestaltung) in der angefochtenen Marke, ist davon auszugehen, dass die Assoziation von „FRUT(T)A“ von allen Teilen des relevanten Publikums geteilt wird, weil sie den entsprechenden Wörterbuchbegriffen im Spanischen, Italienischen und Portugiesischen entspricht und den entsprechenden Begriffen im Englischen (fruit), Französischen (fruit), Rumänischen (fructe), Dänischen (frugt) und Deutschen (Frucht) doch ähnelt, so dass auch die Verbraucher in anderen Mitgliedstaaten diesen Sinngehalt aus einer der genannten Sprachen erkennen können, vgl. Randnummer (Rdnr.) 28 der Entscheidung. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die entsprechenden Waren im Wesentlichen Nahrungsmittel sind, sind sie nicht kennzeichnungskräftig für fast alle Waren als deren Inhalte oder Geschmacksrichtung.
Die Darstellung der Früchte in der älteren Marke wird mit diesen assoziiert. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die entsprechenden Waren im Wesentlichen Nahrungsmittel sind, sind sie nicht kennzeichnungskräftig für alle Waren als deren Inhalte oder Geschmacksrichtung. Allerdings sind die Bildbestandteile der älteren Marke in ihrer Gesamtheit als nicht einfach gehaltene Grafik (schwach) kennzeichnungskräftig.
Das Wort „Hero“ des strittigen Zeichens wird von einem Teil des Publikums, beispielsweise von den spanisch- und englischsprachigen Verbrauchern, als „Held“ verstanden. Da es keine Bedeutung für die Waren hat, ist es ungeachtet ihres Verständnisses für alle Verbraucher kennzeichnungskräftig (vgl. Rdnr. 25 der o. g. Entscheidung der Beschwerdekammer).
Der Bestandteil „Baby“ des angefochtenen Zeichens wird mit dieser Bedeutung assoziiert. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die entsprechenden Waren im Wesentlichen Nahrungsmittel sind, ist er nicht kennzeichnungskräftig für alle Waren als Hinweis auf die angesprochene Zielgruppe (vgl. Rdnr. 30 der o. g. Entscheidung der Beschwerdekammer).
Der Bestandteil „yogu“ des angefochtenen Zeichens wird von einem Teil der angesprochenen Verkehrskreise mit „Joghurt“ assoziiert. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die entsprechenden Waren im Wesentlichen Nahrungsmittel sind, ist er nicht kennzeichnungskräftig für alle Waren als deren Inhalt, Geschmacksrichtung und/oder Aufmachung. Für die übrigen Verbraucher ohne dieses Verständnis sind sie normal kennzeichnungskräftig.
In schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht unterscheiden sich die Zeichen in den zuvor beschriebenen grafischen Ausgestaltungselementen einschließlich der Farben der älteren Marke. Darüber hinaus sind Struktur und Anordnung der Marken wesentlich unterschiedlich: Während die ältere Marke ein Wort in einem bestimmten Hintergrund und der Darstellung von zwei Früchten enthält, ist die angefochtene Marke ein Zeichen mit drei aufeinanderfolgenden Wörtern. Damit sind die Anzahl der Wörter und damit die Länge der Marken klar abweichend voneinander. Selbst die einzigen vergleichbaren Bestandteile der Marken „YOFRUTTA“ und „YOGUFRUTA“ unterscheiden sich in den zusätzlichen Buchstaben „GU“ der angefochtenen Marke sowie in dem Doppelbuchstaben „T“ der älteren Marke. Darüber hinaus ist die Vokalfolge „O-U-A“ und „O-U-U-A“ hörbar abweichend. Selbst unter Berücksichtigung ihrer kennzeichnungskräftigen oder nicht kennzeichnungskräftigen Bestandteile bestehen daher wesentliche Abweichungen im Klang, in der Betonung und im Sprechrhythmus, die lediglich eine geringfügige schriftbildliche und klangliche Zeichenähnlichkeit begründen.
In begrifflicher Hinsicht haben für alle Verbraucher nicht kennzeichnungskräftige Bestandteile, wie der Darstellung der Früchte in der älteren Marke und dem Wort „Baby“ in der angefochtenen Marke, keine Auswirkungen auf den begrifflichen Zeichenvergleich. Die Bestandteile „fruta/frutta“ und „yogu“ sind entweder nicht kennzeichnungskräftig oder nicht verständlich und daher ebenfalls ohne Auswirkung auf den Zeichenvergleich. Die Bestandteile „Yo“ der älteren Marke und „Hero“ der angefochtenen Marke führen zu einem inhaltlichen Unterschied, wenn sie verstanden werden.
Da beim Vergleich der Zeichen zumindest ein ähnlicher Aspekt festgestellt wurde, wird die Prüfung der Verwechslungsgefahr fortgesetzt.
Kennzeichnungskraft der älteren Marke
Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist einer der Faktoren, die bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind.
Die Widersprechende machte nicht ausdrücklich geltend, dass ihre Marke aufgrund intensiver Benutzung oder Bekanntheit über eine besondere Kennzeichnungskraft verfügt.
Folglich stützt sich die Beurteilung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auf ihre Kennzeichnungskraft von Haus aus. Im vorliegenden Fall hat die ältere Marke als Ganzes aus der Perspektive des Publikums im relevanten Gebiet keine Bedeutung im Hinblick auf die gegenständlichen Waren. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist folglich trotz der Präsenz zumindest eines nicht kennzeichnungskräftigen Bestandteils in der Marke für einen Teil der Verbraucher, wie oben unter Punkt c) der Entscheidung ausgeführt, als normal anzusehen.
Umfassende Beurteilung, andere Argumente und Schlussfolgerung
Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt“ (29/09/1998, C‑39/97, Canon, EU:C:1998:442, § 17).
Insgesamt besteht daher aufgrund der lediglich geringen schriftbildlichen und klanglichen Zeichenähnlichkeit, fehlender begrifflicher Übereinstimmungen, der lediglich durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marke und des eingeschränkten Schutzumfanges der älteren Marke aufgrund der Verwendung zumindest eines nicht kennzeichnungskräftigen Bestandteils trotz identisch angesehener Waren und geringer Aufmerksamkeit der Verbraucher keine Verwechslungsgefahr. Diese Beurteilung gilt erst recht bei durchschnittlicher und erhöhter Aufmerksamkeit der Verbraucher.
Im Gegensatz zu der Auffassung der Widersprechenden reichen daher die bestehenden Unterschiede zwischen den Marken aus, damit der Verkehr sie sicher voneinander unterscheiden kann. Sie werden weder gedanklich miteinander in Verbindung gebracht noch denselben bzw. wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen zugeordnet.
Der Widerspruch ist daher gem. Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b) UMV nicht begründet, was dem Ergebnis der o. g. Entscheidung der Beschwerdekammer in dem sehr vergleichbaren Fall entspricht.
KOSTEN
Gemäß Artikel 109 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.
Da die Widersprechende die unterliegende Partei ist, trägt sie alle der Anmelderin in diesem Verfahren entstandenen Kosten.
Gemäß Artikel 109 Absatz 7 UMV und Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer i UMDV (ehemals Regel 94 Absatz 3 und Regel 94 Absatz 7 Buchstabe d Ziffer ii UMDV, gültig bis 01/10/2017) bestehen die der Anmelderin zu erstattenden Kosten aus den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind.
Die Widerspruchsabteilung
Lars HELBERT |
Peter QUAY
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Martin EBERL |
Gemäß Artikel 67 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 68 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.