LÖSCHUNGSABTEILUNG



LÖSCHUNG Nr. C 33 381(VERFALL)

 

Knorz und Kollegen, Lorenzstraße 29, 76135 Karlsruhe, Deutschland (Antragstellerin)

 

g e g e n

 

Ivo-Kermartin Limited, 19 Leyden Street, E1 7LE London, Vereinigtes Königreich (Inhaberin der Unionsmarke), vertreten von Erich Auer, Trakia 12, 1504 Sofia, Bulgarien (zugelassener Vertreter) .

Am 02.12.2020 trifft die Löschungsabteilung die folgende


 

ENTSCHEIDUNG:

 

  1.

Dem Antrag auf Erklärung des Verfalls wird stattgegeben.

 

  2.

Die Unionsmarke Nr. 11 770 906 wird mit Wirkung ab dem 22/02/2019 vollständig für verfallen erklärt.

 

  3.

Die Inhaberin der Unionsmarke trägt die Kosten, die auf 630 EUR festgesetzt werden.



BEGRÜNDUNG

Die Antragstellerin hat einen Antrag auf Erklärung des Verfalls der Unionsmarke Nr. 11 770 906 BANZAI (Wortmarke) (die Unionsmarke) gestellt. Der Antrag richtet sich gegen alle Waren und Dienstleistungen, die von der Unionsmarke erfasst werden, nämlich gegen

Klasse 3: Parfümeriewaren.

Klasse 12: Fahrzeuge, sowie Teile + Zubehör.

Klasse 35: Einzel- und Großhandel mit Fahrzeugen, Kraftfahrzeugrädern, Fahrwerks- Teilen für Fahrzeuge, Elektronikprodukten und deren Teilen, Maschinen für die Erzeugung von Elektronikprodukten und deren Teilen, Geräten und Behältern für Haushalt und Küche, Kämmen und Schwämmen, Bürsten und Pinsel (ausgenommen für Malzwecke) Bürstenmachermaterial, Putzzeug, Stahlwolle, rohes und teilweise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von Bauglas), Glaswaren, Porzellan und Steingut, Baumaterialien (nicht aus Metall), Rohre (nicht aus Metall) Rohre (nicht aus Metall) für Bauzwecke, Asphalte, Pech und Bitumen, transportable Bauten (nicht aus Metall), Denkmäler (nicht aus Metall), Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine, Uhren und Zeitmessinstrumente, Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche, fotografische, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke, Kunstharze im Rohzustand, Kunststoffe im Rohzustand, Düngemittel, Feuerlöschmittel, Mittel zum Härten und Löten von Metallen, chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln, Gerbmittel, Klebstoffe für gewerbliche Zwecke, Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs-, Koch-, Kühl-, Trocken-, Lüftungs- und Wasserleitungsgeräte sowie sanitäre Anlagen, Garnen und Fäden für textile Zwecke, Möbeln, optische Apparaten, Hochdruckreinigern, Fitnessgeräten, Telefonen, PC-Hardware, PC-Software, Helmen, Spielen, Spielzeug, Lebensmittel und Getränke, Medizingeräten, Pharmazeutischen Präparaten, Bekleidungsartikeln, Schuhwaren, Parfümeriewaren.

Die Antragstellerin berief sich auf Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe a UMV.



ZUSAMMENFASSUNG DER ARGUMENTE DER PARTEIEN


Die Antragstellerin führt an, dass die Unionsmarke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht ernsthaft benutzt worden sei.


Die Inhaberin der Unionsmarke führt an, dass der Antrag unzulässig sei, da eine Selbstvertretung verboten sei. Die Begründung des Antrags sei unsubstantiiert und ohne Beweise. Als Nachweis zur Stützung habe die Antragstellerin „folgt nach“ angekreuzt, aber sie habe keine Beweise vorgelegt, sie habe Scheinbehauptungen aufgestellt. Es handele sich um einen mutwilligen Antrag, der zudem Schadenersatzansprüche auslöse. Gemeint sei eine vorsätzliche (oder zumindest vorsatznahe) Schädigung der Markeninhaberin bei verpönter Motivlage. Das verpönte Motiv sei, an Herrn Auer bzw. dessen Rechteverwertungsfirmen Rache zu verüben. Die Inhaberin trägt zum Hintergrund der Rechtstreitigkeit vor. Gegen die Firma Apple sei gerichtlich in Deutschland vorgegangen worden, da Apple die Unionsmarke „ANEMOI“ verletzt habe bzw. noch immer verletze. Apple sei durch eine deutsche Kanzlei vertreten worden. Diese Kanzlei bzw. Apple habe der Antragstellerin den Auftrag gegeben, mehrere Löschungsanträge gegen Unionsmarken von Herrn Erich Auer zu stellen.


Auch im Unionsrecht werde seit den 1990-er Jahren das Problem des Rechtsmissbrauchs diskutiert. Hierfür verweist die Inhaberin auf verschiede Urteile und Quellen, wie folgt:


Die Antragstellerin sei der Markeninhaberin unbekannt. Anstatt sich mit Herrn Auer bzw. mit der Markeninhaberin in Kontakt zu setzen, gehe es der Antragstellerin nur darum, geistiges Eigentum mutwillig zu zerstören und Gebühren zu schinden.


Die Antragstellerin erwidert, dass die Inhaberin trotz Aufforderung keinerlei Benutzungsnachweise eingereicht habe. Stattdessen erschöpfe sich das Vorbringen der Inhaberin in für das Verfahren unerheblichen Rechtsansichten. Das Geschäftsmodell der Inhaberin bestehe darin, aus ihren zahlreichen Registrierungen europaweit in rechtsmissbräuchlicher Art und Weise Einkünfte zu erzielen. Ein übliches Vorgehen der Inhaberin sei es, ein bestimmtes Zeichen anzumelden, hierbei allerdings keine Anmeldegebühr zu entrichten. Erst bei Anmeldung von prioritätsjüngeren Zeichen, die dem Zeichen der Inhaberin ähnlich seien, entrichtete sie die Gebühr, um gegen die jüngere Anmeldung vorzugehen und Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche geltend zu machen.


Das Vorbringen der Inhaberin treffe nicht zu, da die Antragstellerin sich vor dem EUIPO selbst vertreten dürfe. Des Weiteren bedürfe der Verfallsantrag keiner Begründung. Die Behauptung der Inhaberin, das Begehren der Antragstellerin sei rechtsmissbräuchlich, treffe nicht nur nicht zu, sondern sei auch unerheblich. Die Antragstellerin handele im öffentlichen Interesse. Sofern die Inhaberin fürchte, dass ihre vermeintlichen „Vermögenswerte“ im Rahmen eines Verfallsverfahrens „vernichtet“ würden, liege es an ihr, entsprechende Benutzungsnachweise vorzulegen. Zudem sei auch ein vorheriger, außeramtlicher Einigungsversuch nicht obligatorisch.


Die Inhaberin versuche, sich als Opfer eines Racheaktes zu inszenieren, sie sei es aber selbst, die über Jahre hinweg eine Struktur an Gesellschaften geschaffen habe, über die sie bösgläubig Spekulationsmarken zur Anmeldung bringe, um diese lediglich zur Erlangung von Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen vorzuhalten und in rechtsmissbräuchlicher Weise durchzusetzen. Ein ernsthaftes Benutzungsinteresse bestehe aber nicht. Diese Anmeldepraxis sei bereits von mehreren Gerichten als rechtsmissbräuchlich gerügt und festgestellt worden. Hierzu verweist die Antragstellerin auf diverse Urteile (wie des EuGH, OLG Frankfurt, OLG Hamburg).


Die Inhaberin der Unionsmarke erwidert, dass die Firma Apple als eigentlicher Auftraggeber bzw. Finanzier der „Strohantragstellerin“ bzw. Kanzlei Knorz und Kollegen stecke. Dies habe die Antragstellerin auch nicht bestritten. Um weiter in der Öffentlichkeit die saubere Maske zu tragen, sei eine unbekannte Kanzlei vorgeschickt worden, um aus niederen Motiven bzw. Schädigungsabsicht Löschungsanträge gegen sechs europäische Unionsmarken vorzunehmen. Die im letzten Schriftsatz vorgebrachten üblen Nachreden sowie Verleumdungen, Ehrbeleidigungen sowie Kreditschädigungen gegenüber Herrn Erich Auer und dessen Rechtverwertungsgesellschaften seien bizarr und zögen zudem straf- und zivilrechtliche Konsequenzen nach sich. Die Antragstellerin begehe Prozessbetrug, denn das Vorbringen bezüglich angeblicher Bösgläubigkeit von Markenanmeldungen entspreche nicht den Tatsachen. Anstatt eines Verfallsantrags hätte die Antragstellerin einen Nichtigkeitsantrag wegen Bösgläubigkeit stellen können. Die Antragstellerin wisse allerdings, dass alle Marken von Erich Auer nicht in Bösgläubigkeit angemeldet worden seien, deswegen habe sie dies nicht getan.


Die Inhaberin weist auf das Urteil C-371/18 vom 29/01/2020 hin und behauptet, dass es ein wichtiger Meilenstein in der Markenrechtsjudikatur sei. Des Weiteren verweist sie auf die aktuelle Version ihres eigenen Buches „Markenraub – Aufklärungen über neue Formen der Wirtschaftskriminaliät und atypische Markenpiratierie“, in welchem die Machenschaften der Markenräuber bzw. Hintermänner der Antragstellerin aufgedeckt würden. Weiters fügt die Inhaberin einige Presseberichte über Apple bei. Da der Löschungsantrag in Rechtsmissbrauchsabsicht erfolgt sei, sowie eine unerlaubte Selbstvertretung vorliege, sei er abzuweisen.


Die Inhaberin verweist weiters in ihrer Stellungnahme vom 03/04/2020 auf die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 11/02/2020, R 2445/2017-G, „Sandra Pabst“ (als Anlage in englischer Sprache eingereicht). Die Antragstellerin habe gleichzeitig sechs Löschungsanträge gegen die Inhaberin eingebracht. Als mittelbarer Auftraggeber der Antragstellerin verstecke sich der Konzern Apple, der sich rächen möchte, da gegen die Markennutzung „ANIMOJI“ für Klasse 9 auf Basis der älteren Unionsmarke „ANEMOI“ für Klasse 9 vor einem deutschen Gericht Rechtsdurchsetzungsmaßnahmen stattgefunden hätten.


Die Antragstellerin erwidert, dass die von der Inhaberin geltend gemachten Einwände nicht durchgriffen. Sie wiederholt, es gebe kein Verbot der Selbstvertretung, und der Verfallsantrag sei nicht rechtsmissbräuchlich. Die Löschung nicht benutzter Marken liege im öffentlichen Interesse. Das zitierte Urteil C-371/18 habe keine Relevanz für den vorliegenden Fall. Das Urteil betreffe ein absolutes Schutzhindernis (Verstoß gegen die öffentliche Ordnung und gegen die guten Sitten) sowie den absoluten Nichtigkeitsgrund der Bösgläubigkeit. Die von der Inhaberin vorgelegten sechs Anlagen (fünf Artikel und ein Schriftstück) hätten keinerlei Bedeutung für das vorliegende Verfahren. Die Antragstellerin habe ihren Vortrag durch wörtliche Zitate aus rechtskräftigen publizierten Entscheidungen deutscher und europäischer Gerichte belegt, somit sei die Auffassung der Inhaberin diesbezüglich zurückzuweisen.

Die Stellungnahme der Inhaberin vom 03/04/2020 sei als verspätet zurückzuweisen. Die zitierte Entscheidung R 2445/2017-G sei auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen.

Die Inhaberin reicht eine weitere Stellungnahme am 26/05/2020 zum Rechtsmissbrauch der Antragstellerin ein. Sie verweist erneut auf die Entscheidung R 2445/2017-G und trägt vor, dass die Große Beschwerdekammer bewusst mit ihrer Leitentscheidung nun Fallgruppen (Sachgruppenbildung) aufgestellt habe bezüglich dem verbotenen Rechtsmissbrauch im Löschungsverfahren. Die Große Beschwerdekammer komme in ihrer wichtigen Entscheidung zur finalen Schlussfolgerung und Aufstellung von beispielhaften Fallgruppen. Die tatsächlichen Umstände seien:


- Der Vergeltungscharakter des vorliegenden Löschungsantrags;

- Der virtuelle Charakter des Unternehmens, das den Löschungsantrag gestellt hat;

- Die Gesamtheit der Löschungsanträge beim EUIPO.


Die Große Beschwerdekammer habe mit ihrer (Leit-)Entscheidung nunmehr den Rechtsmissbrauch als Schranke der Rechtsausübung in das Löschungsverfahren „judiziert“. Das Rechtsmissbrauchsverbot sei von Amtes wegen anzuwenden. Die Inhaberin verweist erneut auf das einstweilige Verfügungsverfahren IVO-KERMARTIN Ltd. gegen den Konzern APPLE vor dem Landgericht Braunschweig sowie auf das diesbezügliche Urteil. Zwischen dem Konzern Apple und der Rechtsanwaltskanzlei Knorz und Kollegen sei aus Rachegelüsten und Schädigungsabsichten der Plan ausgeheckt worden, wie man sich an der IVO-KERMARTIN Ltd. für die Rechtsdurchsetzungsmaßnahmen vor dem Landgericht Braunschweig rächen und ihr Schaden (Verletzung) zufügen könne. Die Antragstellerin versuche mit den zweckwidrigen Löschungsanträgen eine offene Rechnung mit der IVO-KERMARTIN Ltd. zu begleichen. Das primäre Ziel sei, der Inhaberin weh zu tun. Das bestimmende Motiv hinter den zweckwidrig gestellten Löschungsanträgen sei die Rache an und damit einhergehende (persönliche) Schädigung der IVO-KERMARTIN Ltd. Die Inhaberin trägt diesbezüglich unter anderem folgendes vor:

Die Inhaberin führt an, dass das missbräuchliche Verhalten der Antragstellerin unmoralisch und entgegen den guten Sitten im Wirtschaftsverkehr sei. Es handele sich um eine mutwillige, unzulässige Rechtsausübung der Antragstellerin. Auch der kurze zeitliche Abstand zwischen dem Urteil des Landgerichts Braunschweig und der Einbringung der Löschungsanträge beweise und qualifiziere die Löschungsanträge als zweckwidrig und missbräuchlich ausgeübte Rachehandlung, als einen böswilligen Akt der Vergeltung und Schadenfreude.


Die Antragstellerin führe das EUIPO permanent und vorsätzlich mit haltlosen Ausreden in die Irre und verschweige die wahren Motive hinter den Löschungsanträgen. Die folgenden Tatsachen bewiesen, dass hinter den Löschungsanträgen kein legitimes Interesse stehe:




Des Weiteren macht die Inhaberin einen kurzen Exkurs bezüglich der Markenrechte sowie der wettbewerbsfördernden Funktion des Markenschutzes.

Die Inhaberin reicht am 14/07/2020, nach Beenden des kontradiktorischen Teils des Verfahrens, eine weitere Stellungnahme zur Befangenheit der Mitglieder der Löschungsabteilung ein.



BEFANGENHEITSANTRAG


Am 14/07/2020 stellte der Vertreter der Unionsmarkeninhaberin den Antrag, Judit NÉMETH, Elena NICOLÁS GÓMEZ und Natascha GALPERIN „mit sofortiger Wirkung von den o.g. Verfahren und allen anderen Verfahren, wo Markeninhaber betroffen sind, bei denen Herr Erich Auer mitwirkt, für die Zukunft, wegen des berechtigten Grundes der Befangenheit, abzuziehen.”


Mit amtlicher Mitteilung vom 01/12/2020 hat die Löschungsabteilung unter Ausschluss der betroffenen Mitglieder über den Antrag auf Feststellung der Befangenheit entschieden und diesen als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen.


VORBEMERKUNGEN


Die Markeninhaberin wendet ein, dass die Antragstellerin nicht aktivlegitimiert sei. Der Antrag sei rechtsmissbräuchlich gestellt worden. Die Inhaberin verweist hierzu auf die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer (11/02/2020, R 2445/2017-G, Sandra Pabst).


Hierzu ist festzustellen, dass Löschungsverfahren nie ex officio durch das Amt eingeleitet werden können, sondern ausschließlich nach Eingang eines Antrags durch einen Dritten erfolgen.


Anträge auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit aus absoluten Gründen (Artikel 58 und 59 UMV) können eingereicht werden von:

1. jeder natürlichen oder juristischen Person oder

2. jedem Interessenverband von Herstellern, Erzeugern, Dienstleistungsunternehmen, Händlern oder Verbrauchern, der nach dem für ihn maßgebenden Recht prozessfähig ist.

Bezüglich Anträgen auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit aus absoluten Gründen muss der Antragsteller kein Interesse an dem Verfahren nachweisen (08/07/2008, T-160/07, Colour Edition, EU:T:2008:261, § 22-26, bestätigt durch 25/02/2010, C-408/08 P, Colour Edition, EU:C:2010:92, § 37-40). Das liegt daran, dass zwar relative Nichtigkeitsgründe die Interessen der Inhaber bestimmter älterer Rechte schützen, die absoluten Nichtigkeitsgründe und Verfallsgründe jedoch auf den Schutz allgemeiner Interessen abzielen (einschließlich, bei Verfall auf Grundlage mangelnder Benutzung, d allgemeinen Interessen an der Löschung der Eintragung von Marken, die die Benutzungsanforderung nicht erfüllen) (30/05/2013, T-396/11, Ultrafilter International, EU:T:2013:284, § 17-18).

In Artikel 63 Absatz 1 Buchstabe a UMV wird jeder natürlichen oder juristischen Person das Recht gewährt, einen Antrag auf Erklärung des Verfalls auf der Grundlage von Artikel 58 UMV zu stellen, ohne dass bei diesem Recht ein ausgewogener Vergleich zwischen den möglichen persönlichen Interessen der Antragstellerin bei einer solchen Erklärung und den durch diese Bestimmung geschützten allgemeinen Interessen hergestellt werden muss.


Im Gegensatz zur Behauptung der Inhaberin der Unionsmarke fordert Artikel 63 Absatz 1 Buchstabe a UMV von der Antragstellerin nicht, dass sie ein Interesse an der Einleitung des Verfahrens zeigt.


Somit ist jedermann antragsberechtigt, auch natürliche oder juristische Personen mit (Wohn‑)Sitz außerhalb der Europäischen Union. Für die Antragstellung bedarf es auch keines spezifischen – berechtigten oder gar rechtlichen - Interesses.


Im vorliegenden Fall hat die Unionsmarkeninhaberin keine überzeugenden Argumente vorgetragen oder Nachweise für einen etwaigen Rechtsmissbrauch seitens der Antragstellerin eingereicht, die zur Anwendbarkeit höherer Rechtsgrundsätze oder zu der Unzulässigkeit des Löschungsantrages führen könnten.


Die Anzahl von 6 Löschungsanträgen ist nicht unbedingt ungewöhnlich bzw. auffällig und bleibt deutlich unter der Anzahl der gestellten Anträge in dem Fall „Sandra Pabst“ zurück, der der Leitentscheidung der Großen Beschwerdekammer zugrunde lag. Die Fälle sind nicht vergleichbar und die Leitentscheidung somit nicht einschlägig.


Betreffend das Argument der Inhaberin der Unionsmarke, die Antragstellerin habe nicht zur Nichtbenutzung der Unionsmarke vorgetragen, ist festzustellen, dass der im Formular vorgedruckte Vortrag, die Marke sei innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht ernsthaft benutzt worden, in dieser Hinsicht ausreicht.


BEGRÜNDUNG DER ENTSCHEIDUNG

Gemäß Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe a UMV wird die Unionsmarke auf Antrag beim Amt für verfallen erklärt, wenn die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Europäischen Union für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen. 

Bei Verfallsverfahren aufgrund Nichtbenutzung liegt die Beweislast bei der Inhaberin der Unionsmarke, da von der Antragstellerin der Nachweis einer negativen Tatsache nicht erwartet werden kann, nämlich dass die Marke während eines Zeitraums von fünf Jahren in Folge nicht benutzt worden ist. Daher muss die Inhaberin der Unionsmarke die ernsthafte Benutzung innerhalb der Europäischen Union nachweisen oder triftige Gründe für die Nichtbenutzung vorbringen. 

Im vorliegenden Fall erfolgte die Eintragung der Unionsmarke am 20/01/2014. Der Löschungsantrag ging am 22/02/2019 ein. Daher erfolgte die Eintragung der Unionsmarke vor mehr als fünf Jahren vor dem Tag der Einreichung des Antrags. 

Am 11/03/2019 hat die Löschungsabteilung der Inhaberin der Unionsmarke den Antrag auf Erklärung des Verfalls zugestellt und ihr eine Frist bis zum 16/05/2019 für das Vorlegen des Benutzungsnachweises der Unionsmarke für alle Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, gesetzt.


Die Inhaberin der Unionsmarke hat mit Schreiben vom 15/05/2019 Fristverlängerung beantragt. Mit amtlicher Mitteilung vom 22/05/2019 wurde die Frist bis zum 16/07/2019 verlängert.


Die Inhaberin hat innerhalb der gesetzten Frist keine Benutzungsnachweise zu dem Antrag auf Erklärung des Verfalls eingereicht.


Wenn die Inhaberin der Unionsmarke innerhalb der vom Amt festgesetzten Frist keinen Benutzungsnachweis für die angegriffene Marke erbringt, wird die Unionsmarke gemäß Artikel 19 Absatz 1 DVUM für verfallen erklärt.


Seitens der Inhaberin der Unionsmarke wurde weder ein Nachweis erbracht, dass die Unionsmarke ernsthaft in der Europäischen Union für Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, benutzt wurde, noch liegen Hinweise auf berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vor.


Die Inhaberin verweist auf verschiedene Urteile und Entscheidungen sowie einen Aufsatz ihres Vertreters Herrn Erich Auer bezüglich Rechtsmissbrauch. Die Unterlagen beschränken sich entweder auf die Wiedergabe allgemeiner Erwägungen und Verweise oder beziehen sich auf andere Konstellationen/Marken, und sind daher auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden.


Der Aufsatz von Herrn Erich Auer befasst sich mit allgemeinen theoretischen Überlegungen des Verfassers. Es werden unter anderem Themen wie Markenrechtschutz, Markenverletzung, Prozessbetrug, Täuschung, Markenraub berührt. Zwar werden Themen behandelt, die auch im hiesigen Verfahren relevant sein könnten, jedoch sind aus dem Aufsatz keine konkreten Rückschlüsse zu ziehen. Es handelt sich um allgemeine Ausführungen des Autors. Zwar können diese Überlegungen korrekt sein, enthalten aber keine konkreten Feststellungen und Informationen in Bezug auf den vorliegenden Fall.


Die eingereichten Online-Artikel (teilweise in englischer Sprache vorgelegt) beziehen sich auf Apple bzw. iPhones. Aus den Unterlagen sind keine Rückschlüsse auf den vorliegenden Fall zu ziehen. Es ist nicht nachvollziehbar, inwieweit sie für den vorliegenden Fall relevant wären. Sie beziehen sich nicht auf die Unionsmarke und sind somit nicht geeignet, deren Benutzung zu belegen.


Abschließend ist noch anzumerken, dass die UM-Inhaberin umfangreiche und wiederholte Behauptungen und Vorwürfe bezüglich des Rechtmissbrauchs der Antragstellerin wie das unmoralisches Verhalten, Feindseligkeit, Rachegelüste, Schadenfreude usw. erwähnt; allerdings kann diesen Ausführungen (die zudem keine Stützung in den vorgelegten Nachweisen finden) aufgrund ihres generellen und pauschalen Charakters nicht gefolgt werden.


Gemäß Artikel 62 Absatz 1 UMV gelten die vorgesehenen Wirkungen der Unionsmarke in dem Umfang, in dem die Marke für verfallen erklärt wird, als von dem Zeitpunkt der Antragstellung an nicht eingetreten.


Folglich muss die Unionsmarke vollständig für verfallen erklärt werden, und sie gilt mit Wirkung vom 22/02/2019 als nicht eingetragen.



KOSTEN

Gemäß Artikel 109 Absatz 1 UMV trägt die unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.

 

Da die Inhaberin der Unionsmarke die unterliegende Partei ist, trägt sie die Löschungsgebühr sowie die der Antragstellerin in diesem Verfahren entstandenen Kosten.


Gemäß Artikel 109 Absätze 1 und 7 sowie Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer ii UMDV sind die an die Antragstellerin zu zahlenden Kosten die Löschungsgebühr und die Vertretungskosten, die auf Grundlage der dort festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind. Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin keinen zugelassenen Vertreter im Sinne von Artikel 120 UMV bestellt. Daher sind ihr keine Vertretungskosten entstanden.





Die Löschungsabteilung

 Natascha GALPERIN

Judit NÉMETH

Elena NICOLÁS GÓMEZ



Gemäß Artikel 67 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 68 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.


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