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Widerspruchsabteilung



WIDERSPRUCH Nr. B 2 250 465


Ardex GmbH, Friedrich-Ebert-Str. 45, 58453 Witten-Annen, Deutschland (Widersprechende), vertreten durch Andrejewski · Honke, An der Reichsbank 8, 45127 Essen, Deutschland (zugelassener Vertreter)


g e g e n


Knauf Gips KG, Am Bahnhof 7, 97346 Iphofen, Deutschland (Anmelderin), vertreten durch Meissner Bolte Patentanwälte Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Bankgasse 3, 90402 Nürnberg, Deutschland (zugelassener Vertreter).


Am 27/10/2016 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende



ENTSCHEIDUNG:


1. Der Widerspruch Nr. B 2 250 465 wird in seiner Gesamtheit zurückgewiesen.


2. Die Widersprechende trägt die Kosten, die auf 300 EUR festgesetzt werden.



BEGRÜNDUNG:


Die Widersprechende legte Widerspruch gegen alle Waren der Unionsmarkenanmeldung Nr. 11 794 906 ein. Der Widerspruch beruht unter anderem auf den Unionsmarkeneintragungen Nr. 297 796 und Nr. 3 516 143. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b UMV.



VERWECHSLUNGSGEFAHR – ARTIKEL 8 ABSATZ 1 BUCHSTABE b UMV


Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass das Publikum der Auffassung sein könnte, die mit den infrage stehenden Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, hängt bei einer umfassenden Beurteilung von der Abwägung mehrerer, voneinander abhängiger Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die kennzeichnenden und dominierenden Elemente der in Konflikt stehenden Zeichen sowie das relevante Publikum.


Der Widerspruch beruht auf mehr als einer älteren Marke. Aus Gründen der Verfahrensökonomie prüft die Widerspruchsabteilung den Widerspruch zuerst in Bezug auf die Unionsmarkeneintragungen Nr. 297 796 und Nr. 3 516 143 (jeweils für die Wortmarke „ARDEX“) der Widersprechenden.



  1. Die Waren und Dienstleistungen


Der Widerspruch basiert auf den folgenden Waren und Dienstleistungen:


Ältere Unionsmarke Nr. 3 516 143:


Klasse 1: Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, nämlich Kunstharzdispersionen zum Vergüten von fließfähigen Mörteln und Spachtelmassen; Gießharze als Haftbrücke zwischen mineralischem Untergrund und Frischmörtel oder Beton; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke, insbesondere Bodenbelags- und Parkettklebstoffe, Klebstoffe für Fliesen und Dämmstoffe.


Klasse 2: Farben, Firnisse, Lacke; Voranstrichmittel; Haft- und Grundierdispersionen für mineralische Untergründe; Rostschutzmittel; Färbemittel; Beizen; Naturharze im Rohzustand; Farbkonzentrate zum Einfärben von Spachtel- und Nivelliermassen; Korrosivflüssigkeit zur farbigen Oberflächengestaltung von gespachtelten Oberflächen.


Klasse 17: Gießharze zum Verschließen von Rissen; Dichtmassen auf Kunstharzbasis; Fugmassen.


Ältere Unionsmarke Nr. 297 796:


Klasse 19: Verarbeitungsfertige Baustoffe, die feinteilige Bindemittel in Form von Zement und/oder Gips aufweisen.


Klasse 42: Bauberatung in Bezug auf den Einsatz von verarbeitungsfertigen Baustoffen unterschiedlicher Zweckbestimmung.


Der Widerspruch richtet sich gegen die folgenden Waren:


Klasse 17: Dichtungs-, Dämm- und Isoliermaterialien; Dämmplatten; Glasfasern für Isolierzwecke; Glasfasergewebe zur Isolierung.


Klasse 19: Baumaterialien, nicht aus Metall; Bauplatten, nicht aus Metall; Gipskartonplatten.


Zu den relevanten Faktoren im Zusammenhang mit dem Vergleich der Waren oder Dienstleistungen zählen unter anderem die Art und der Zweck der Waren oder Dienstleistungen, die Vertriebswege, die Verkaufsstätten, die Hersteller, die Nutzung und ob sie miteinander konkurrieren oder einander ergänzen.


Angefochtene Waren in Klasse 17


Die angefochtenen Dichtungsmaterialien enthalten als weiter gefasste Kategorie die Dichtmassen auf Kunstharzbasis der Widersprechenden. Da die Widerspruchsabteilung die weit gefasste Kategorie der angefochtenen Waren nicht von Amts wegen aufgliedern kann, gelten sie als identisch zu den Waren der Widersprechenden.


Die angefochtenen Dämm- und Isoliermaterialien; Dämmplatten; Glasfasern für Isolierzwecke; Glasfasergewebe zur Isolierung stellen Materialien zur Wärmeisolierung bzw. zur Wärme- oder Schalldämmung dar. Die Dichtmassen auf Kunstharzbasis der Widersprechenden stellen Materialien dar, die z.B. der Abdichtung von Fenstern dienen. Die Vergleichswaren unterscheiden sich in ihrer Beschaffenheit, jedoch können sie jeweils die Verringerung des Wärmeverlusts in Gebäuden bezwecken. Die Waren werden über die gleichen Vertriebswege verkauft (z.B. in der gleichen Warenstraße in einem Baumarkt) und sie können sich an dieselben Endverbraucher richten. Schließlich können die Waren von den gleichen Unternehmen des Bereichs Wärmeisolierung hergestellt werden. Es besteht hochgradige Ähnlichkeit.


Angefochtene Waren in Klasse 19


Die angefochtenen Baumaterialien, nicht aus Metall enthalten als weiter gefasste Kategorie die verarbeitungsfertigen Baustoffe, die feinteilige Bindemittel in Form von Zement und/oder Gips aufweisen der Widersprechenden. Da die Widerspruchsabteilung die weit gefasste Kategorie der angefochtenen Waren nicht von Amts wegen aufgliedern kann, gelten sie als identisch zu den Waren der Widersprechenden.


Die angefochtenen Bauplatten, nicht aus Metall; Gipskartonplatten überschneiden sich mit den verarbeitungsfertigen Baustoffen, die feinteilige Bindemittel in Form von Zement und/oder Gips aufweisen der Widersprechenden. Grund hierfür ist der Umstand, dass die angefochtenen Waren aus Gips bestehen (können) und die Waren der Widersprechenden in Form von Platten angeboten werden können und ebenfalls aus Gips bestehen können. Deshalb sind die Vergleichswaren identisch.



  1. Relevantes Publikum – Aufmerksamkeitsgrad


Der Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart gilt als durchschnittlich gut informiert, aufmerksam und verständig. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers je nach der betreffenden Art von Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann.


Im vorliegenden Fall wenden sich die für identisch oder hochgradig ähnlich befundenen Waren an das breite Publikum (Hobbyheimwerker) bzw. an Geschäftskunden mit besonderen beruflichen Kenntnissen oder besonderem beruflichem Fachwissen im Bereich Bauwesen. Der Aufmerksamkeitsgrad kann durchschnittlich bis hoch sein.



  1. Die Zeichen


Da die älteren Unionsmarken Nr. 297 796 und Nr. 3 516 143 jeweils die Wortmarke „ARDEX“ schützen, wird der Einfachheit halber im Singular auf die älteren Unionsmarken Bezug genommen.


ARDEX


KnaufGuardex



Ältere Marke


Angefochtene Marke


Das relevante Gebiet ist Europäische Union.


Bei dieser umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind“ (11/11/1997, C251/95, Sabèl, EU:C:1997:528, § 23).


Die Vergleichszeichen sind jeweils in allen Schreibweisen geschützte Wortmarken.

Die ältere Marke weist keine Elemente auf, die als eindeutig kennzeichnungskräftiger oder dominanter (stärker visuell ins Auge springend) als andere Elemente erachtet werden können.


Die angefochtene Marke weist keine Elemente auf, die als eindeutig dominanter (stärker visuell ins Auge springend) als andere Elemente erachtet werden können.


Das Element „Knauf“ des angefochtenen Zeichens wird vom deutschsprachigen Publikum mit „Ende an einem Gegenstand etwa in der Form einer Kugel“ assoziiert (siehe Duden Online). Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die entsprechenden Waren in Klasse 19 dem Bereich „diverse Baumaterialien“ zuzuordnen sind, ist dieses Element schwach für einen Teil dieser Waren, insbesondere für „Baumaterialien, nicht aus Metall“. Für das übrige Publikum weist die angefochtene Marke keine Elemente auf, die als eindeutig kennzeichnungskräftiger als andere Elemente erachtet werden können.


Bildlich stimmen die Zeichen in Bezug auf „ARDEX“ überein. Sie unterscheiden sich jedoch in Bezug auf die sieben Buchstaben „KnaufGu“ am Anfang der angefochtenen Marke, die daher über insgesamt zwölf Buchstaben verfügt, während die ältere Marke lediglich fünf Buchstaben aufweist und damit deutlich kürzer ist. Aufgrund der Binnengroßschreibung sieht der Verkehr in der Anmeldemarke die Kombination von zwei Elementen, während in der älteren Marke lediglich ein Element vorliegt.


Die ersten Teile der in Konflikt stehenden Marken sind unterschiedlich. Wenn Verbraucher mit einer Marke konfrontiert werden, neigen sie im Allgemeinen dazu, sich auf das erste Element eines Zeichens zu konzentrieren. Gerechtfertigt wird dies durch die Tatsache, dass das Publikum von links nach rechts liest, wodurch der linke Teil des Zeichens (der Anfangsteil) derjenige ist, auf den sich die Aufmerksamkeit des Lesers zuerst lenkt.


Die Zeichen sind daher kaum ähnlich.


In klanglicher Hinsicht, unabhängig von den unterschiedlichen Ausspracheregeln in verschiedenen Teilen des maßgeblichen Gebiets, stimmt die Aussprache der Zeichen im Klang der Buchstaben „ARDEX“ in den beiden Zeichen überein. Jedoch unterscheidet sich die Aussprache hörbar am Anfang der angefochtenen Marke durch den Klang der zusätzlichen Buchstaben „KNAUFGU“, für die es im älteren Zeichen keine Entsprechungen gibt.


Die Zeichen sind daher kaum ähnlich.


Begrifflich wird das in der angefochtenen Marke enthaltene Element „Knauf“ – obwohl die Marke als Ganzes gesehen keinerlei Bedeutung hat – von dem deutschsprachigen Publikum im maßgeblichen Gebiet mit dem „Ende an einem Gegenstand etwa in der Form einer Kugel“ in Verbindung gebracht (siehe Duden Online). Insoweit sind die Zeichen für das deutschsprachige Publikum begrifflich nicht ähnlich, denn das andere Zeichen hat keinerlei Bedeutung.


Für das übrige Publikum im relevanten Gebiet hat keines der beiden Zeichen eine Bedeutung. Da ein begrifflicher Vergleich nicht möglich ist, beeinflusst der begriffliche Aspekt die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit nicht.


Da beim Vergleich der Zeichen zumindest ein ähnlicher Aspekt festgestellt wurde, wird die Prüfung der Verwechslungsgefahr fortgesetzt.



  1. Kennzeichnungskraft der älteren Marke


Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist einer der Faktoren, die bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind.


Die Widersprechende machte geltend, dass die ältere Marke (und auch die weiteren geltend gemachten Marken, siehe weiter unten) über eine erhöhte Kennzeichnungskraft verfügten, reichte jedoch keine relevanten Belege zum Beweis dieses Vorbringens ein.


Die auf Antrag der Anmelderin am 11/11/2015 vorgelegten Benutzungsunterlagen können in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden, da sie erst nach Ablauf der Substantiierungsfrist vom 05/02/2014 eingereicht wurden und die erhöhte Kennzeichnungskraft seitens der Widersprechenden innerhalb der Substantiierungsfrist nachzuweisen war. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden ist auch der Umstand, dass die ältere Marke „ARDEX“ eine Fantasiebezeichnung darstellt, kein Grund zur Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft.


Der Hinweis der Widersprechenden, dass sie eine bekannte Firma sei und die Vorlage eines zweiseitigen Ausdrucks von der Homepage der Widersprechenden mit einem kurzen Firmenüberblick, reichen ebenfalls nicht aus, um einen erhöhten Grad an Kennzeichnungskraft der älteren Marke für die relevanten Waren nachzuweisen. Das vorgelegte Dokument ist schon deshalb nicht geeignet, die erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke für die relevanten Waren nachzuweisen, weil überhaupt gar keine Produkte in dem Dokument erwähnt werden.


Folglich stützt sich die Beurteilung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auf ihre Kennzeichnungskraft von Haus aus. Im vorliegenden Fall hat die ältere Marke als Ganzes aus der Perspektive des Publikums im relevanten Gebiet keine Bedeutung im Hinblick auf die gegenständlichen Waren. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist folglich als normal anzusehen.



  1. Umfassende Beurteilung, andere Argumente und Schlussfolgerung


Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt“ (29/09/1998, C‑39/97, Canon, EU:C:1998:442, § 17).


Die angefochtenen Waren sind zum Teil identisch und zum Teil hochgradig ähnlich mit den Waren der Widersprechenden. Der Aufmerksamkeitsgrad bezüglich dieser Waren ist durchschnittlich bis erhöht.


Die Zeichen stimmen zwar visuell und klanglich in der Buchstabenfolge „ARDEX“ überein, Verwechslungsgefahr besteht jedoch nicht, da diese Buchstaben in der angefochtenen Marke mit den Anfangsbuchstaben „KnaufGu“ zur Buchstabenkombination „KnaufGuardex“ verschmelzen und daher „ARDEX“ nicht als separates Element wahrnehmbar ist. Grund hierfür ist die Tatsache, dass es keine Anhaltspunkte für eine Trennung des Zeichens in die Elemente „KnaufGu“ und „ARDEX“ gibt (beispielswiese anhand eines Bindestrichs oder aufgrund von Sinngehalten etc.). Daher fällt auch nicht unmittelbar auf, dass die ältere Marke vollständig in der angefochtenen Marke enthalten ist. Vielmehr sind die zusätzlichen Buchstaben am Anfang des angefochtenen Zeichens deutlich wahrnehmbar, denn der Verbraucher schenkt dem Zeichenanfang prinzipiell mehr Beachtung als der Zeichenmitte oder dem Zeichenende. Die zusätzlichen Buchstaben „KnaufGu“ in der angefochtenen Marke rufen daher einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervor, insbesondere auch, weil aufgrund der Binnengroßschreibung (Großbuchstabe „G“) das Anmeldezeichen aus den beiden Elementen „Knauf“ und „Guardex“ zu bestehen scheint. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden ist daher die Thomson-Life-Rechtsprechung nicht anwendbar.


Die Widersprechende beruft sich zur Unterstützung ihrer Bemerkungen auf frühere Entscheidungen des Amtes. Das Amt ist jedoch nicht durch seine früheren Entscheidungen gebunden, da jeder einzelne Fall separat und unter Berücksichtigung seiner Besonderheiten behandelt werden muss.


Das Gericht unterstützt diese Vorgehensweise uneingeschränkt. Es hat festgestellt, dass nach ständiger Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern ausschließlich auf der Grundlage der UMV und nicht nach der vorherigen Entscheidungspraxis des EUIPO zu beurteilen ist (30/06/2004, T‑281/02, Mehr für Ihr Geld, EU:T:2004:198).


Obgleich die früheren Entscheidungen des Amtes nicht verbindlich sind, sind deren Begründung und Ergebnisse dennoch bei einer Entscheidung in einer anderen Sache gebührend zu berücksichtigen.


Im vorliegenden Verfahren sind die früheren Entscheidungen, auf die sich die Widersprechende berufen hat, nicht relevant, denn die dortigen Vergleichsmarken Blue/Ecoblue, West/Westlife, Valid/Revalid, Norma/Eunorma, Pilot/AdPilot und Salsa/Resalsa weisen im Gegensatz zum vorliegenden Fall begriffliche Ähnlichkeiten auf.


Hinsichtlich der übrigen früheren Entscheidungen, auf die die Widersprechende hinweist (Acura/Enacura, Danza/Endanza und Balim/Aybalim) wird festgestellt, dass das Amt zwar verpflichtet ist, seine Befugnisse im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts auszuüben, z. B. dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, jedoch muss die Art und Weise der Anwendung dieser Grundsätze mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden. Außerdem ist zu betonen, dass jeder Fall individuell geprüft werden muss. Das Ergebnis hängt in jedem Einzelfall von besonderen Kriterien ab, die auf die Gegebenheiten dieses Falles anzuwenden sind, beispielsweise den Aussagen, Argumenten und Vorbringen der Beteiligten. Abschließend darf sich eine Partei in Verfahren vor dem Amt nicht auf eine möglicherweise unerlaubte Handlung, die zum Nutzen Dritter begangen wurde, stützen oder diese zu ihrem Vorteil nutzen, um eine identische Entscheidung zu erwirken.


Daraus folgt, dass, selbst wenn der Widerspruchsabteilung vorgelegte frühere Entscheidungen dem vorliegenden Fall in gewissem Umfang sachlich ähnlich sind, das Ergebnis anders ausfallen kann.


Des Weiteren ist das Argument der Widersprechenden zu prüfen, dass die älteren Marken, in denen ausnahmslos derselbe Wortbestandteil „ARDEX“ vorkommt, eine „Markenfamilie“ oder „Serienmarke“ darstellen (die weiteren älteren Marken werden weiter unten aufgelistet). Ein solcher Umstand sei geeignet, eine objektive Verwechslungsgefahr hervorzurufen, da der Verbraucher, wenn er sich der angefochtenen Marke, die den gleichen Wortbestandteil wie die älteren Marken enthalte, gegenübergestellt sehe, zu dem Glauben verleitet werde, dass die durch diese Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen ebenfalls von der Widersprechenden stammten.


Der Begriff der Markenfamilie ist in einem Urteil des Gerichts vom 23/02/2006, T‑194/03, Bainbridge, EU:T:2006:65 erschöpfend analysiert worden.


Der damit beschriebene Sachverhalt liegt vor, wenn sich der Widerspruch auf mehrere ältere Marken stützt, die aufgrund bestimmter Merkmale einer einzigen „Serie“ oder „Familie“ zugeordnet werden können. Unter diesen Umständen kann eine gedankliche Verbindung zwischen der angemeldeten Marke und den älteren Marken, die der Serie angehören, eine Verwechslungsgefahr bedingen. Doch kann diese Gefahr der gedanklichen Verbindung nur dann geltend gemacht werden, wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind.


Bereits die erste Voraussetzung wurde von der Widersprechenden nicht erfüllt, denn als Inhaberin einer Serie älterer Eintragungen musste sie einen Benutzungsnachweis für alle der Serie zugehörigen Marken oder zumindest für einige Marken, die eine „Serie“ bilden können, erbringen. Daher kann dieses Argument der Widersprechenden nicht berücksichtigt werden, denn auch wenn ein Benutzungsnachweis vorgelegt wurde, so erfolgte die Vorlage erst auf Antrag seitens der Anmelderin im Rahmen des Nachweises der rechtserhaltenden Benutzung und nicht innerhalb der Substantiierungsfrist zum Nachweis der Markenfamilie.


Unter Berücksichtigung aller oben genannten Punkte, und selbst bei der Berücksichtigung der teilweisen Identität der Vergleichswaren, besteht seitens der Öffentlichkeit keine Verwechslungsgefahr. Daher muss der Widerspruch zurückgewiesen werden.


Da der Widerspruch gemäß Artikel 8 Absatz 1 UMV nicht begründet ist, muss der von der Widersprechenden vorgelegte Benutzungsnachweis nicht untersucht werden.


Die Widersprechende hat ihren Widerspruch auch auf die folgenden älteren Marken gestützt:


1) deutsche Markenregistrierung Nr. 39 510 317 für die Wortmarke „ARDEX“ in den Klassen 19 und 42;

2) Internationale Markenregistrierung Nr. 644 382 für die Wortmarke „ARDEX“ mit Schutzerstreckung auf die Benelux-Länder, die Tschechische Republik, Spanien, Frankreich, Italien, Ungarn, Österreich, Polen, Portugal und die Slowakei “ in den Klassen 19 und 42;


3) Unionsmarkenregistrierung Nr. 5 560 313 für die Bildmarke Shape1 in den Klassen 1, 2, 17 und 19;


4) Unionsmarkenregistrierung Nr. 808 410 für die Bildmarke Shape2 in den Klassen 1,2, 17 und 19.



Da die Marken 1) und 2) mit der oben verglichenen Marke „ARDEX“ identisch sind und denselben oder einen engeren Umfang von Waren und Dienstleistungen erfassen, kann das Ergebnis in Bezug auf Waren, für die der Widerspruch bereits zurückgewiesen wurde, kein anderes sein. Verwechslungsgefahr hinsichtlich jener Waren besteht also nicht.


Die anderen älteren Marken 3) und 4), die von der Widersprechenden geltend gemacht wurden, sind der angefochtenen Marke sogar noch unähnlicher. Der Grund dafür ist, dass sie weitere Bildelemente (bunter Kreis bzw. graue Umrandung und besondere Schreibweise der Buchstaben) bzw. zusätzliche Wörter wie “SYSTEM“ enthalten, die in der angefochtenen Marke nicht vorliegen. Deshalb kann das Ergebnis hinsichtlich der Waren, für die der Widerspruch bereits zurückgewiesen wurde, nicht anders sein; es besteht hinsichtlich dieser Waren keine Verwechslungsgefahr.



KOSTEN


Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.


Da die Widersprechende die unterliegende Partei ist, trägt sie alle der Anmelderin in diesem Verfahren entstandenen Kosten.


Gemäß Regel 94 Absätze 3 und 7 Buchstabe d Ziffer ii UMDV, bestehen die der Anmelderin zu erstattenden Kosten aus den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind.



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Die Widerspruchsabteilung


Peter QUAY


Beatrix STELTER

Martin EBERL



Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.


Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten kann nur auf Antrag durch eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung überprüft werden. Gemäß Regel 94 Absatz 4 UMDV ist ein solcher Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung der Kostenfestsetzung einzureichen; er gilt erst als gestellt, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung von 100 EUR (Anhang I Abschnitt A Nummer 33 UMV) entrichtet worden ist.

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