Widerspruchsabteilung



WIDERSPRUCH Nr. B 2 307 810


Sims International GmbH, Peutestr. 42-46, 20539 Hamburg, Deutschland (Widersprechende), vertreten durch Fritz Patrick Horsch, Turmweg 15, 20148 Hamburg, Deutschland (zugelassener Vertreter)


g e g e n


Sims Pump Valve Company Inc., 1314 Park Avenue, Hoboken, New Jersey 07030, Vereinigte Staaten von Amerika (Anmelderin), vertreten durch Michalski Hüttermann & Partner Patentanwälte mbB, Speditionstraße 21, 40221 Düsseldorf, Deutschland (zugelassener Vertreter).


Am 10.08.2017 ergeht durch die Widerspruchsabteilung die folgende



ENTSCHEIDUNG:


1. Der Widerspruch Nr. B 2 307 810 wird in seiner Gesamtheit zurückgewiesen.


2. Die Widersprechende trägt die Kosten, die auf 300 EUR festgesetzt werden.



BEGRÜNDUNG:


Die Widersprechende legte Widerspruch gegen alle Waren der Unionsmarkenanmeldung Nr. 12 160 008 für die Wortmarke „SIMSITE“ ein, und zwar gegen alle Waren der Klassen 1, 7 und 17. Der Widerspruch beruht auf der Unionsmarke Nr. 11 435 179 für die Wortmarke „SIMS“, der deutschen Unternehmensbezeichnung „SIMS International“ und dem deutschen Firmennamen „SIMS“. Die Widersprechende berief sich auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a und b und Artikel 8 Absatz 4 UMV.



VORBEMERKUNG SOWEIT DER WIDERSPRUCH AUF DER UNIONSMARKE NR. 11 435 179 FÜR DIE WORTMARKE „SIMS“ BERUHT UND DIE WIDERSPRECHENDE ARTIKEL 8 ABSATZ 1 BUCHSTABE A UND B UMV GELTEND MACHT


Aufgrund eines Antrags auf Nichtigerklärung der Unionsmarke Nr. 11 435 179 wurde mit Entscheidung vom 09.08.2016 diese Marke vollständig für nichtig erklärt (Verfahren Löschung Nr. 9023C Nichtigkeit). Da das ältere Recht im Verlauf des Verfahrens wegfallen ist, kann die Widerspruchsentscheidung nicht auf dieses Recht gestützt werden, da Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a und b UMV ist, dass es sich um eine ältere Marke handelt, die eingetragen ist bzw. eine Anmeldung, die zur Eintragung führt.


Der Widerspruch muss deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden, sofern er auf dieser älteren Marke beruht.

NICHT EINGETRAGENE MARKE ODER IM GESCHÄFTLICHEN VERKEHR BENUTZTES ANDERES KENNZEICHENRECHT – ARTIKEL 8 ABSATZ 4 UMV- - DEUTSCHE UNTERNEHMENSBEZEICHNUNG „SIMS INTERNATIONAL“ UND DEUTSCHER FIRMENNAME „SIMS“


Artikel 8 Absatz 4 UMV besagt, dass auf Widerspruch der Inhaberin einer nicht eingetragenen Marke oder eines sonstigen im geschäftlichen Verkehr benutzten Kennzeichenrechts von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn und soweit nach dem für den Schutz des Kennzeichens maßgeblichen Recht der Union oder des Mitgliedstaats:


  1. Rechte an diesem Kennzeichen vor dem Tag der Anmeldung der Unionsmarke, gegebenenfalls vor dem Tag der für die Anmeldung der Unionsmarke in Anspruch genommenen Priorität, erworben worden sind


  1. dieses Kennzeichen seiner Inhaberin das Recht verleiht, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen.


Die Eintragungshindernisse von Artikel 8 Absatz 4 UMV unterliegen somit den folgenden Anforderungen:


  • Das ältere Kennzeichen muss vor der Einreichung der angefochtenen Marke im geschäftlichen Verkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung benutzt worden sein.


  • Die Widersprechende muss nach dem für den Schutz des Kennzeichens maßgeblichen Recht vor der Einreichung der angefochtenen Marke Rechte an dem Kennzeichen, auf das der Widerspruch gestützt wird, erworben haben, einschließlich des Rechts, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen.


  • Die Bedingungen, unter denen die Benutzung einer jüngeren Marke untersagt werden kann, müssen in Bezug auf die angefochtene Marke erfüllt sein.


Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Erfüllt ein Zeichen eine dieser Voraussetzungen nicht, bleibt einem Widerspruch, der auf eine ältere nicht eingetragene Marke oder andere im geschäftlichen Verkehr benutzte Kennzeichenrechte im Sinne von Artikel 8 Absatz 4 UMV gestützt wird, somit der Erfolg versagt.



Vorherige Benutzung im geschäftlichen Verkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung


Die Bedingung der Benutzung im geschäftlichen Verkehr ist eine konstitutive Voraussetzung, ohne die das betreffende Zeichen keinerlei Schutz gegen die Eintragung einer Unionsmarke genießt, und sie besteht unabhängig von den Voraussetzungen, die das nationale Recht für den Erwerb des ausschließlichen Rechts aufstellt. Überdies muss eine solche Benutzung darauf schließen lassen, dass das betreffende Kennzeichenrecht von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung ist.


Hierzu ist festzustellen, dass die Voraussetzung in Bezug auf die Benutzung eines Kennzeichenrechts von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung im geschäftlichen Verkehr nach Artikel 8 Absatz 4 UMV den Zweck verfolgt, Konflikte zwischen den Zeichen zu begrenzen, indem sie verhindert, dass ein älteres Recht, das nicht hinreichend ausgeprägt, d. h. im geschäftlichen Verkehr wichtig und bedeutungsvoll ist, der Eintragung einer neuen Unionsmarke entgegenstehen kann. Die Möglichkeit eines Widerspruchs soll auf Zeichen beschränkt sein, die auf ihrem relevanten Markt tatsächlich und wirklich präsent sind. Um die Eintragung eines neuen Zeichens verhindern zu können, muss das für den Widerspruch geltend gemachte Zeichen tatsächlich in hinreichend bedeutsamer Weise im geschäftlichen Verkehr benutzt werden und eine mehr als lediglich örtliche geografische Schutzausdehnung haben, was bedeutet, dass, wenn das Schutzgebiet dieses Zeichens als nicht örtlich angesehen werden kann, die Benutzung in einem bedeutenden Teil dieses Gebiets erfolgen muss. Bei der Feststellung, ob dies der Fall ist, sind die Dauer und die Intensität der Benutzung dieses Zeichens als unterscheidendes Element für seine Adressaten zu berücksichtigen, bei denen es sich sowohl um Käufer und Verbraucher als auch um Lieferanten und Wettbewerber handelt. In dieser Hinsicht sind insbesondere Benutzungen des Zeichens in der Werbung und in der geschäftlichen Korrespondenz erheblich. Ferner ist die Beurteilung der Voraussetzung der Benutzung im geschäftlichen Verkehr für jedes Gebiet, in dem das für den Widerspruch geltend gemachte Recht geschützt ist, getrennt vorzunehmen. Schließlich muss die Benutzung des in Frage stehenden Zeichens im geschäftlichen Verkehr vor dem Tag der Anmeldung der Unionsmarke dargetan werden (29/03/2011, C‑96/09 P, Bud, EU:C:2011:189, § 157, 159, 160, 163 und 166).


Im verfahrensgegenständlichen Verfahren wurde die angefochtene Marke am 20.09.2013 eingereicht. Daher musste die Widersprechende nachweisen, dass die Kennzeichenrechte, auf die der Widerspruch gestützt wird, vor diesem Zeitpunkt in Deutschland im geschäftlichen Verkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung benutzt wurden. Ferner muss der Nachweis erbracht werden, dass die Zeichen der Widersprechenden im geschäftlichen Verkehr benutzt wurden, nämlich in Bezug auf Entwicklung, Herstellung und Vertrieb der folgenden Waren und Dienstleistungen: chemische Erzeugnisse; Kunstharze, Kunststoffe; Klebstoffe; Keramikglasuren; chemische Mittel für die Herstellung von technischer Keramik; Farben, Firnisse, Lacke; Korrosionsschutzmittel; Maschinen; Motoren; Pumpen; Dichtungen; Ventile; Schifffahrtsprodukte; Folie aus Polymerstoffen; kohlefaserverstärkte Kunstharze zur Verwendung in der Produktion.


Am 12.08.2014 reichte die Widersprechende folgende Beweismittel ein:


  • Anlage A 0: Eidesstattliche Versicherung;

  • Anlage 1: Handelsregisterauszug;

  • Anlage A 2:Auszüge aus dem Internetauftritt der Widersprechenden sowie Auszüge aus dem Branchenverzeichnissen „Deutsches Schiffsausrüster-Register“.


Die von der Widersprechenden vorgelegten Beweismittel lassen zwar darauf schließen, dass eine gewisse Benutzung der Zeichen stattgefunden hat, diese Benutzung erreicht aber nicht den Schwellenwert von „mehr als örtlichen Bedeutung“ nach Artikel 8 Absatz 4 UMV.


Ein gewerbliches Schutzrecht ist in dem maßgeblichen Gebiet von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung, wenn sich seine Wirkung nicht auf einen geringen Teil dieses Gebiets wie z. B. im Allgemeinen eine Stadt oder eine Provinz beschränkt (24/03/2009, T‑318/06 - T‑321/06, General Optica, EU:T:2009:77, § 41). Das Zeichen muss in einem bedeutenden Teil des Schutzgebiets benutzt werden (29/03/2011, C‑96/09 P, Bud, EU:C:2011:189, § 159).


Ob einem gewerblichen Schutzrecht eine mehr als lediglich örtliche Bedeutung zukommt, lässt sich durch ein Netz von Filialen, die im gesamten betroffenen Gebiet wirtschaftlich tätig sind, aber auch einfacher durch beispielsweise Rechnungen, die außerhalb der Region erstellt worden sind, in der die Wiedersprechende ihren Sitz hat, durch Presseberichte, die deutlich machen, in welchem Grad das geltend gemachte Zeichen dem Publikum bekannt ist, oder durch Hinweise in Reiseführern auf die Niederlassung belegen (24/03/2009, T‑318/06 - T‑321/06, General Optica, EU:T:2009:77, § 43).


Im vorliegenden Fall liefern die eingereichten Unterlagen, namentlich die „eidesstattliche Versicherung“ und die Internetauszüge der Widerspruchsabteilung unzureichende Angaben über das Handelsvolumen sowie die Dauer und Häufigkeit der Benutzung.


Die eidesstattliche Versicherung ist ein zulässiges Beweismittel (Artikel 78 Absatz 1 Buchstabe f UMV). Die Beweiskraft ihres Inhalts ist unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren umfassend zu beurteilen. Dazu ist festzustellen, dass bei der Beurteilung des Beweiswerts eines derartigen Dokuments zunächst die Wahrscheinlichkeit der darin enthaltenen Information zu prüfen ist. Insbesondere sind also zu berücksichtigen die Herkunft des Dokuments, die Umstände seiner Ausarbeitung, sein Adressat und die Frage, ob es seinem Inhalt nach vernünftig und glaubhaft erscheint (07/06/2005, T-303/03, Salvita, EU:T:2005:200, § 42 mwN). Des Weiteren muss der Inhalt einer eidesstattlichen Versicherung grundsätzlich durch zusätzliche Beweismittel gestützt werden (07/06/2005, T-303/03, Salvita, EU:T:2005:200, § 43-45; 23/09/2009, T-409/07, acopat, EU:T:2009:354, § 57; 13/01/2011, T-28/09, Pine Tree, EU:T:2011:7, § 68).


Vorliegend stammt die eidesstattliche Versicherung von dem Geschäftsführer der Widersprechenden und damit einer dem Verfahren nicht neutral gegenüberstehenden Person. Nach gefestigter Rechtsprechung kommt der Erklärung eines Angestellten oder Mitarbeiters des betroffenen Unternehmens nicht die gleiche Zuverlässigkeit und Glaubhaftigkeit zu, wie der Erklärung eines Dritten, bzw. einer von diesem Unternehmen unabhängigen Person. Eine derartige Erklärung muss zwingend durch ergänzende Nachweise, insbesondere auch zu Zeit und Umfang der Benutzung, untermauert werden (12/07/2011, T-374/08, Top Craft, EU:T:2011:346, § 35).


Die Webseitenauszüge der Widersprechenden stammen ebenfalls nicht von einer unabhängigen Person. Die Auszüge aus den Branchenverzeichnissen „Deutsches Schiffsausrüster-Register“ geben keinerlei Auskünfte zum Umfang der Benutzung.


Schließlich beweist der Handelsregisterauszug lediglich, dass ein Unternehmen mit dem Namen „SIMS INTERNATIONAL GmbH Ships Industrie Marine Services“ gegründet wurde. Der Auszug sagt aber nichts über den Umfang der Benutzung aus.


Die am 13.08.2014 zusätzlich eingereichten Unterlagen sind verspätet eingegangen und daher nicht zu berücksichtigen. Am 12.02.2014 wurde der Widersprechenden eine Frist bis 12.06.2014 eingeräumt, um den Widerspruch durch die Vorlage von Tatsachen, Beweismitteln und Bemerkungen zu vervollständigen (Regeln 18 Absatz 1 und 19 Absätze 1 und 2 UMDV). Diese Frist wurde auf Antrag der Widersprechenden am 11.06.2014 bis 12.08.2014 verlängert. Die verspätete Einreichung der Unterlagen wurde der Widersprechenden auch am 6.10.2014 mitgeteilt.


Unter Abwägung aller obigen Ausführungen gelangt die Widerspruchsabteilung zu der Schlussfolgerung, dass die von der Widersprechenden vorgelegten Beweismittel nicht ausreichen, um den Nachweis dafür zu erbringen, dass die älteren Zeichen in Verbindung mit den Waren Dienstleistungen und Geschäftstätigkeiten, auf die der Widerspruch gestützt wurde, vor dem relevanten Datum und im betreffenden Gebiet im geschäftlichen Verkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung benutzt wurden.


In Anbetracht der Tatsache, dass eine der notwendigen Anforderungen von Artikel 8 Absatz 4 UMV nicht erfüllt ist, ist der Widerspruch als unbegründet zurückzuweisen.



KOSTEN


Gemäß Artikel 85 Absatz 1 UMV trägt die im Widerspruchsverfahren unterliegende Partei die der anderen Partei entstandenen Gebühren und Kosten.


Da die Widersprechende die unterliegende Partei ist, trägt sie alle der Anmelderin in diesem Verfahren entstandenen Kosten.


Gemäß Regel 94 Absätze 3 und 7 Buchstabe d Ziffer ii UMDV, bestehen die der Anmelderin zu erstattenden Kosten aus den Vertretungskosten, für die die in der Verordnung festgelegten Höchstsätze festzusetzen sind.





Die Widerspruchsabteilung


Beatrix STELTER

Martin EBERL

Claudia MARTINI



Gemäß Artikel 59 UMV kann jeder Beteiligte, der durch diese Entscheidung beschwert ist, gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss in der Verfahrenssprache eingereicht werden, in der die Entscheidung, die Gegenstand der Beschwerde ist, ergangen ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 720 EUR entrichtet worden ist.


Die Festsetzung des Betrags der zu erstattenden Kosten kann nur auf Antrag durch eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung überprüft werden. Gemäß Regel 94 Absatz 4 UMDV ist ein solcher Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung der Kostenfestsetzung einzureichen; er gilt erst als gestellt, wenn die Gebühr für die Überprüfung der Kostenfestsetzung von 100 EUR (Anhang I Abschnitt A Nummer 33 UMV) entrichtet worden ist.


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