HAUPTABTEILUNG KERNGESCHÄFT



L123


Teilweise Zurückweisung der Anmeldung einer

Unionsmarke gemäß Artikel 7 UMV und Regel 11 Absatz 3 UMDV


Alicante, 23/12/2016



Evonik Degussa GmbH

c/o Evonik Industries AG

CI-IPM-PAT

Bau 1042 / PB 15

Paul-Baumann-Straße 1

45772 Marl

Deutschland


Anmeldenummer:

012771606

Ihr Zeichen:

2014W60010EU

Marke:

POWER TO HYDROCARBONS

Art der Marke:

Wortmarke

Anmelderin:

Evonik Degussa GmbH

Rellinghauser Straße 1 - 11

45128 Essen

Deutschland


Das Amt beanstandete am 30.04.2014 und 19.11.2014 die Anmeldung teilweise unter Berufung auf den beschreibenden Charakter sowie auf fehlende Unterscheidungskraft gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b und c und Artikel 7 Absatz 2 der früheren Gemeinschaftsmarkenverordnung. Die Beanstandungen werden im beiliegenden Schreiben begründet (Kopien der amtlichen Beanstandungen).


Aufgrund der ähnlichen/identischen Sachlage in dem Parallelverfahren „POWER TO ACETYLENE“ (Nr. 012767604) wurde das gegenständliche Verfahren bis zum Erlass einer rechtskräftigen Entscheidung in dieser Sache ausgesetzt.


Nachdem die Entscheidung der Beschwerdekammer im Parallelverfahren (Entscheidung R 0169/2015-1 vom 28/09/2015) rechtskräftig geworden ist, wurde der Anmelderin - mit Schreiben vom 02.02.2016 - die Möglichkeit gegeben, sich dazu zu äußern bzw. eine weitere Stellungnahme einzureichen. Die Anmelderin hat zu dieser Mitteilung keine Stellung genommen.


Gemäß Artikel 75 UMV obliegt es dem Amt, eine mit Gründen zu versehende Entscheidung zu treffen, zu denen sich die Anmelderin äußern konnte.


Aufgrund der offensichtlichen Ähnlichkeit mit dem Parallelverfahren „POWER TO ACETYLENE“ (Nr. 012767604), ist die hiesige Anmeldung für die entsprechenden Waren und Dienstleistungen gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 7 Absatz 2 UMV zurückzuweisen.


Die Argumente der Anmelderin in ihrer Stellungnahme vom 19.01.2015, zu dem das Amt sich noch nicht geäußert hat, können wie folgt zusammengefasst werden:


  1. Das Amt ist unzutreffend davon ausgegangen, die Anmelderin sei ein Energieversorgungsunternehmen.

  2. Die beanstandeten Waren werden in Chemikalienbehältern in den Verkehr gebracht. Die Fachkreise werden in „POWER TO HYDROCARBONS“ auf solchen Behältern sofort eine markenmäßige Kennzeichnung erkennen und keinen unmittelbar beschreibenden Sachhinweis. Dies liegt schon in der Mehrdeutigkeit des Begriffs „POWER“ („Energie“). Die Aussage „Energie zu/für Kohlenwasserstoffe“ auf einem Behälter z.B. für Edelgas ergibt keinen Sinn.

  3. Die Bezeichnung „POWER TO HYDROCARBONS“ ist interpretationsbedürftig.

  4. Nach der Interpretation des Amtes beschreibt die Anmeldemarke „POWER TO HYDROCARBONS“ die Lieferung/Erzeugung von Energie. Die beanstandeten Dienstleistungen weisen alle jedoch ein Bezug zur Energieeinsparung auf.

  5. Bei „POWER TO HYDROCARBONS“ handele es sich nicht um eine beschreibende Angabe, sondern um ein sogenanntes sprechendes Zeichen. Da sie die Aufmerksamkeit der Verbraucher erwecken würden, seien sprechende Zeichen im Verkehr weit verbreitet und vermögen es insbesondere auch, eine hinreichende Unterscheidungskraft zu entwickeln.


Zur Begründung der Zurückweisung hält das Amt es für angemessen, unter Berücksichtigung der Argumente der Anmelderin in ihrer Stellungnahme vom 19.01.2015 auf die Erwägungen der Kammer in der Beschwerdesache einzugehen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die vorher gemachten Ausführungen zu verweisen.


Das angemeldete Zeichen besteht aus der Wortfolge „POWER TO HYDROCARBONS“. „Power“ bedeutet „Kraft, Energie, Strom“ und „Hydrocarbons“ ist der englische Begriff für „Kohlenwasserstoffe“. Kohlenwasserstoffe sind wichtige Ausgangsstoffe für viele andere Grundstoffe der chemischen Industrie. Kohlenwasserstoffe werden als Treibstoffe und zur Herstellung von Halogenkohlenwasserstoffen, Alkoholen, Olefinoxiden, Kunststoffen und Waschmittelkomponenten gebraucht. Zwischen den beiden Substantiven befindet sich die Präposition „to“, die der grammatisch logischen Konstruktion des Satzes wegen hier als „into“ verstanden wird.


Demnach wird der maßgebliche Verkehrskreis den Ausdruck insgesamt als „power into hydrocarbons“ verstehen und unmittelbar erkennen, dass die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen einen Bezug zur Herstellung von Kohlenwasserstoffen aus Energie oder Strom haben. In gleicher Weise beurteilte die Beschwerdekammer in der rechtskräftigen Entscheidung vom 23.01.2015, R 1481/2014-1 hinsichtlich der angemeldeten Wortfolge „POWER TO CHEMICALS“ der Anmelderin, dass dieser Ausdruck eindeutig den Sinngehalt „power into chemicals“ vermittelt, d.h. die Herstellung von Chemikalien aus Strom (siehe auch die Entscheidung vom 05.09.2013, R 970/2013-4, POWER TO HEAT).


Da die maßgeblichen Fachverkehrskreise sich bewusst sind, dass es sich bei Kohlenwasserstoff um ein Gas handelt, werden sie den Ausdruck „POWER TO HYDROCARBONS“ unmittelbar als eine Sachaussage identifizieren, die dem Ausdruck „Power to Gas“ gleichsteht. Dieser Ausdruck, auf Deutsch „elektrische Energie zu Gas“, ist ein feststehender Ausdruck, mit dem der chemische Prozess der Verwandlung von Strom in Gas bezeichnet wird.


Demzufolge gibt das Anmeldezeichen dem angesprochenen Verbraucher hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen lediglich einen Hinweis auf deren Wirkung und Zweck, und zwar, dass sie mit der Herstellung von Gas aus Strom zu tun haben bzw. verbunden sind. Diese Verbindung besteht hinsichtlich aller beanstandeten Waren: Klasse 1 umfasst verschiedene chemische Stoffe, die entweder selbst der Energiegewinnung dienen (technische Gase) oder als Rohstoffe im Zusammenhang mit der Energieerzeugung Verwendung finden und Klasse 4 beinhaltet Brennstoffe und Gase. So wird der Ausdruck „POWER TO HYDROCARBONS“ für diese Waren lediglich eine Sachaussage darstellen, und zwar, dass mit Energie ein Gas (hydrocarbons) erzeugt wird.


Ebenfalls wird der Ausdruck „POWER TO HYDROCARBONS“ im Zusammenhang mit den Transport-, Lagerungs- und Verteilungsdienstleistungen der Klasse 39 nicht auf ein unterscheidungskräftiges Kennzeichen, sondern auf deren Zweck deuten, da sie Gase oder Energie zum Gegenstand haben können. Hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 40 ist der Bezug zum Sinngehalt des Anmeldezeichens noch deutlicher, da diese die Erzeugung von Energie und die Umwandlung von elektrischem Strom und Gas beinhalten und somit die chemischen Erzeugungs- und Umwandlungsprozesse direkt betreffen.


Letztendlich besitzt der Ausdruck auch keine Unterscheidungskraft für die beanstandeten Dienstleistungen der Klasse 42, da er lediglich den Gegenstand der wissenschaftlichen und technologischen Dienstleistungen, Forschungsarbeiten, Entwicklungs-, Recherche- und Beratungsdienste darstellt.


Es handelt sich demnach für alle verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen um einen als Sachaussage bzw. Slogan empfundenen Ausdruck, dem keine interpretationsbedürftigen, mehrdeutigen oder fantasievollen Elemente oder Wirkungen zukommen. Das Anmeldezeichen ist denkbar einfach gestaltet und enthält keine Elemente des Wortspiels oder der Mehrdeutigkeit. Dabei ist es unerheblich, ob es sich, wie von der Anmelderin vorgetragen, um Waren handelt, die unter Umständen keine Energie für Kohlenwasserstoffe liefern können bzw. chemisch nicht reaktiv sind (Edelgase).


Das Amt ist entgegen der Auffassung der Anmelderin der Ansicht, dass „POWER TO HYDROCARBONS“ keine sprechende Marke ist. Eine Marke wird dann als sprechende Marke bezeichnet, wenn sie auf eine indirekte Weise Bezug nimmt auf Eigenschaften der Produkte oder Dienstleistungen oder durch einen geistigen Assoziationsprozess, der eine besondere Leistung auf Seiten der Verbraucher erfordert. Es ist nämlich ausreichend, dass das Zeichen in zumindest einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (23/10/2003, C-191/01 P, Doublemint, EU:C:2003:579, § 32; 21/01/2009, T-296/07, PharmaCheck, EU:T:2009:12, § 39), was hinsichtlich des leicht verständlichen Sinngehalts des Ausdrucks „power into hydrocarbons“ und auch im Hinblick auf den Fachbegriff „power into gas“ in diesem Fall eindeutig ist.


Ob im Verkehr auf andere Produkte hingewiesen wird (Chemikalienbehältern wie Fässern und Gasbomben), ist unerheblich, weil es um die beanspruchten Waren so wie sie im Warenverzeichnis aufgeführt sind geht, und nicht um Produktbezeichnungen, so wie sie im Verkehr benutzt werden.


Das Anmeldezeichen vermittelt in seiner Gesamtheit die klare und unzweideutige Botschaft, die das angesprochene Publikum ohne umfangreiche Überlegungen und ohne besonderen Interpretationsaufwand so wahrnehmen wird, dass die damit beworbenen Waren und Dienstleistungen eine bestimmte Wirkung und Zweck in Verbindung mit der Herstellung von Kohlenwasserstoff durch Energie oder Strom (Power) haben. Der Ausdruck enthält darüber hinaus keine Bestandteile, die es den Verbrauchern erlauben würden, ihn als Marke leicht und unmittelbar im Gedächtnis zu behalten. Dies gilt für alle verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen, die untereinander in den verschiedenen Klassen einen direkten und konkreten Zusammenhang aufweisen, so dass sie homogene Kategorien bzw. Gruppen von Dienstleistungen bilden (11/12/2014, C-253/14 P, BigXtra, EU:C:2014:2445, § 42).


Die angemeldete Wortfolge erfüllt demnach nicht die Kriterien eines Herkunftshinweises und wird ausschließlich als gewöhnliche Sachaussage aufgefasst. Es bedarf seitens der angesprochenen Verbraucher (hauptsächlich Fachleute mit erhöhtem Aufmerksamkeitsgrad) keiner gedankliche Anstrengung, um die Bedeutung der Aussage „POWER TO HYDROCARBONS“ im Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen zu erfassen. Es ist außerdem davon auszugehen, dass diese Aufmerksamkeit, sogar bei Fachleuten, gegenüber einfachen Werbesprüchen relativ gering ist (17/01/2013, T-582/11 & T-583/11, Premium XL / Premium L, EU:T:2013:24, § 28).


Damit fehlt es der Anmeldung an Unterscheidungskraft im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe b UMV in Verbindung mit Artikel 7 Absatz 2 UMV. Dies reicht nach ständiger Rechtsprechung bereits aus, um die Unionsmarke von der Eintragung auszuschließen (12/01/2005, T-367/02-T-369/02, SnTEM, SnPUR & SnMIX, EU:T:2005:3, § 45).


Aus den oben erwähnten Gründen und gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b sowie Artikel 7 Absatz 2 UMV wird hiermit die Anmeldung für folgende Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen:


Klasse


1 Chemische Erzeugnisse für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke, Alkane, Alkene, Alkine, Alkohole, Aldehyde und Ester für chemische Zwecke, Methan, Ethen, Ethin, Methacrysäure, Acrylsäure, Acrylsäureester, Alkylsäureester, Polyacrylsäureester, Polyacrylsäure, Polymethacrylate, Polyacrylate, Vinylchloride, Vinylether, Acetylene; Acrolein, Butandiole, Butadiene, Ketone, chemische und biochemische Katalysatoren, Kohlenstoff Gase, verfestigte, für gewerbliche Zwecke; Treibgase für Aerosole; technische Gase, insbesondere Wasserstoff und Gase als Rohstoffe für gewerbliche Zwecke, für chemische Zwecke, für katalytische Zwecke, zur Inertisierung, für die Trocknung und als Gefriermittel, Edelgase, sämtliche vorgenannten Waren soweit in Klasse 1 enthalten.


4 Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe) und Leuchtstoffe; Gase für Erwärmung bzw. Heizung und Kühlung, für Beleuchtungszwecke, Gase für die Energieerzeugung; Gase für die Verbrennung, Kohlegase, Koksofengase, soweit in Klasse 4 enthalten; Grubengase, soweit in Klasse 4 enthalten.


39 Transport- und Lagerwesen; Transport, Lagerung und Verteilung von Energie, Elektrizität, Gas, Heiz- und Fernwärme, Druckluft und/oder Wasser; Transport von Gasen, Flüssigkeiten und Feststoffen mittels Rohrleitungen; Transportlogistik, Dienstleistungen eines Transportmaklers.


40 Erzeugung von Energie und Wärme, Umwandlung von elektrischem Strom in Gas, insbesondere Wasserstoff, Methan und Ethin, Umwandlung von Gas in elektrischen Strom, Umwandlung von Gas und Strom in chemische Monomere, Umwandlung von Gas und Strom in Butadien, Methacrylsäure, Acrylsäure und / oder Acrolein.


42 Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwicklungs und Recherchedienste bzgl. neuer Produkte für Dritte, technische Beratung auf dem Gebiet der Energieeinsparung, Energieerzeugung sowie Energiespeicherung; Beratung auf dem Gebiet der Energieeinsparung sowie Energiespeicherung; Erstellen von technischen Gutachten.


Die Anmeldung kann für die übrigen Waren und Dienstleistungen veröffentlicht werden, nämlich:


Klasse


1 Chemische Erzeugnisse für fotografische, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke; Kunstharze im Rohzustand, Kunststoffe im Rohzustand, Kunststoffe und Kunstharze im Rohzustand in Form von Lösungen, Emulsionen, Dispersionen, Pulvern, Pasten und Granulaten; Kunstharze und Kunststoffe im Rohzustand zum Formen, Pressen, Gießen und Spritzen; Düngemittel; Feuerlöschmittel; Mittel zum Härten und Löten von Metallen; Chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln; Gerbmittel; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke.


4 Technische Öle und Fette; Schmiermittel; Staubabsorbierungs-, Staubbenetzungs- und Staubbindemittel; Kerzen und Dochte für Beleuchtungszwecke.


42 Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software; Konstruktionsplanung und -beratung; Bauplanung und -beratung (Architekturberatung); Werkstoff- und Materialprüfung; Durchführung von chemischen und physikalischen Analysen, Dienstleistungen eines Chemikers; Dienstleistungen eines Ingenieurs; Dienstleistungen eines bakteriologischen und/oder chemischen Labors; Dienstleistungen eines Physikers; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Vermietung von Datenverarbeitungsanlagen.



Gemäß Artikel 59 UMV können Sie gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegen. Gemäß Artikel 60 UMV ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Darüber hinaus ist innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung die Beschwerde schriftlich zu begründen. Die Beschwerde gilt erst mit der Zahlung der Beschwerdegebühr in Höhe von 720 EUR als eingelegt.



Peter SCHYDLOWSKI




Avenida de Europa, 4 • E - 03008 • Alicante, Spanien

Tel. +34 965139100 • www.euipo.europa.eu


Latest News

  • FEDERAL CIRCUIT AFFIRMS TTAB DECISION ON REFUSAL
    May 28, 2021

    For the purpose of packaging of finished coils of cable and wire, Reelex Packaging Solutions, Inc. (“Reelex”) filed for the registration of its box designs under International Class 9 at the United States Patent and Trademark Office (“USPTO”).

  • THE FOURTH CIRCUIT DISMISSES NIKE’S APPEAL OVER INJUNCTION
    May 27, 2021

    Fleet Feet Inc, through franchises, company-owned retail stores, and online stores, sells running and fitness merchandise, and has 182 stores, including franchises, nationwide in the US.

  • UNO & UNA | DECISION 2661950
    May 22, 2021

    Marks And Spencer Plc, Waterside House, 35 North Wharf Road, London W2 1NW, United Kingdom, (opponent), represented by Boult Wade Tennant, Verulam Gardens, 70 Grays Inn Road, London WC1X 8BT, United Kingdom (professional representative)